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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

zwischen Rieß und der Angeklagten bestanden. Allein nicht ein einziger Zeuge, weder die mit Schimpf und Schande weggejagten Dienstboten, noch die von glühendem Haß erfüllten Geschwister der Angeklagten haben eine Tatsache für diese Behauptung anführen können. Die kleine Olga, die hier als Zeugin erschien und erklärte, daß sie gegen ihre Mutter Zeugnis ablegen wolle, hat allerdings bekundet: Rieß und ihre Mutter seien vielfach im Keller zusammengekommen, und sie habe Wache stehen müssen. Das kleine Mädchen, das anfänglich erklärt hatte, sie wolle gegen ihre Mutter nicht Zeugnis ablegen, wurde von liebenden Verwandten veranlaßt, schließlich doch gegen ihre Mutter als Zeugin aufzutreten. Nicht von der Verteidigung, sondern von der Geschworenenbank wurde die Frage gestellt, ob denn das Kind wisse, welchen Verbrechens die Mutter angeklagt ist. Die Verteidigung brach infolgedessen in den Ruf aus: „Mein Gott, es handelt sich doch um Leben und Tod.“ Das kleine Mädchen mußte schließlich zugeben, Onkel Adameit habe ihm allerdings nicht gesagt, was es aussagen solle, aber er habe es ihr wie Pappe um den Mund geschmiert, und sein Bruder Karl habe ihm gedroht: er werde es totschlagen, wenn es nicht gegen Mama aussage. Dieses Mädchen hat zunächst eine Behauptung aufgestellt, die, wenn sie richtig wäre, allerdings dafür spräche, daß ein Liebesverhältnis zwischen Rieß und der Angeklagten bestanden habe. Allein der Zufall wollte es, daß das Mädchen schließlich erklärte: sie habe den Rieß nur ein einziges Mal mit der Mutter im Keller gesehen, in allen übrigen Fällen seien es die Frauen Busch und Ziegran gewesen, die mit der Mutter im Keller waren. Daß die Angeklagte den Rieß aufforderte, nach einem solch furchtbaren Vorgange bei ihr zu bleiben, kann man ihr wirklich nicht übelnehmen. Wir haben gehört, daß Rieß sich angezogen auf die Chaiselongue gelegt habe. Hätte die Angeklagte etwas im Sinne gehabt, dann hätte sie weder das Licht brennen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)