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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

bereits verrückt und wehrte mich dagegen entschieden. Kurz vor Weihnachten wurde er plötzlich gekündigt. Bereits nach zwei Tagen forderte er mich auf, die Kündigung rückgängig zu machen. Ich lehnte ab. Er legte mir zu Last, ihn aus dem Brot gebracht zu haben, da ich ihn los sein wolle. Ich tat trotzdem nichts in der Sache. Er selbst ging zum Chef betteln und durfte bleiben. Wie ein Irrsinniger kam er angestürmt, fiel mir vor Arndt um den Hals und würgte mich bald vor Seligkeit. Es gab nur noch zwei große Ungeheuerlichkeiten für mich: 1. wie lange wird es noch dauern, 2. wird es zu dem letzten Äußersten kommen? Tatsächlich entschloß ich mich, in aller Kürze in seine Wohnung zu gehen. Der Boden war mir ohnedies im Geschäft zu heiß geworden, meines Bleibens war nicht mehr, mochte nun kommen, was wollte. Ich teilte ihm meinen Entschluß mittags mit und erwartete ihn abends.“ (Die Schilderung über die Vorgänge in der Wohnung des Reimann muß aus Schicklichkeitsgründen unterbleiben.) „Die nächsten Tage verliefen ruhig,“ so hieß es weiter in der Schilderung, „wir sprachen wenig miteinander. Bis plötzlich wieder ein Schauer einsetzte. Jetzt war das Maß bei mir voll, meine Beherrschung war zu Ende, ich stieß ihn grob zurück. Da verzog sich sein sonst verzweifeltes Gesicht zu höhnischem Grinsen. Er schlug mich in Gegenwart von Arndt und entwendete mir den Schlüssel zu Dr. St.s Haus aus meiner Handtasche. Ich forderte den Schlüssel zurück und ging ihm in der Erregung in die Haare. Ich fühlte aber bald furchtbare Schmerzen am ganzen Körper und wurde heftig schwindelig, so daß ich nicht wußte, wo ich mich befand. Die ganze Aufwallung löste sich in eine Art Wein- krampf auf. Die Angestellten wurden aufmerksam. Der Aufforderung des Prokuristen, den Hausschlüssel herauszugeben, kam er nicht nach. Erst am andern Morgen, nach- dem ihm mein Chef den Kopf gewaschen, gab er ihn heraus. Am nächsten Tage flog er und ich durfte kündigen.“

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/222&oldid=- (Version vom 16.2.2023)