Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 10 (1914).djvu/233

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

davon Mitteilung machte? – Angekl.: Dr. St. fragte, ob das wahr ist, was in dem Brief steht. – Vors.: Und was antworteten Sie darauf? – Angekl.: Ich sagte nur: Ja! – erledigt! – Vors.: Sie haben gar kein Wort der Rechtfertigung gesagt? – Angekl.: Ich sagte nur: es ist ein Mann, der mich verfolgt. Was sollte ich sagen? Er hatte doch geschrieben, daß ich mich ihm wie eine Dirne hingegeben habe, ich konnte mich ja doch nicht rechtfertigen, denn es war ja doch wahr! Mir blieb eben nichts übrig, als aus dem Leben zu scheiden. – Vors.: Nun hat Ihnen ja Dr. St. noch sehr gut zugeredet und Ihnen offenbar verziehen; es lag doch also eigentlich für Sie kein Grund zum Selbstmord vor. Hat nicht Dr. St. auch über Ihre Zukunft mit Ihnen gesprochen? – Angekl.: Ja, er wollte mich aus Berlin wegbringen, ich schlug diesen Vorschlag aber ab. – Vors.: Sie konnten Dr. St. also ganz beruhigt verlassen und brauchten nicht aus dem Leben zu scheiden. – Angekl.: Ich hatte mich über die ganze Sache furchtbar geschämt und war darüber so verzweifelt, daß mir einer sonst was hätte bieten können – für mich gab es kein Zurück, der Gedanke des Selbstmordes stand unwandelbar bei mir fest. Ich mußte mir eine Kugel durch den Schädel jagen. – Vors.: Sie haben anderen Leuten aber gar nichts von Ihren Selbstmordgedanken verraten. – Angekl.: Nein! Ich werde doch nicht dritten Personen sagen, daß ich mich totschießen werde. Das wäre doch von mir blödsinnig gewesen.

Der Vorsitzende kam noch einmal darauf zurück, daß Reimann das letzte Rendezvous auf 8 Uhr vorgeschlagen, die Angeklagte aber die Zeit auf 10 Uhr abends verschoben habe, indem sie ihm schrieb: „Ich habe keine Lust, mich noch mit Dir sehen zu lassen und werde Dich heute um 10 Uhr erwarten: Wullenweber-, Ecke Jagowstraße.“ Ferner gelangte ein Brief zur Verlesung, den Reimann an die Mutter der Angeklagten geschrieben hatte.

Auf eine weitere Frage des Vorsitzenden erklärte die

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/233&oldid=- (Version vom 19.2.2023)