Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 10 (1914).djvu/235

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

Brief in zwei Teile zerrissen. Das wäre ja furchtbar töricht gewesen. Jeder Straßenkehrer hätte zwei so große Stücke aufgehoben und gelesen. Es gibt doch auch noch eine Kriminalpolizei, die sehr bald den Brief erhalten hätte. Es wäre ja Wahnsinn, wenn ich so etwas getan hätte. – Die Angeklagte erzählte alsdann, wie sie den Revolver gekauft hatte, Sie habe dabei gescherzt und gelacht, um bei dem Verkäufer den Gedanken zu verbergen, daß sie Selbstmordabsichten habe. – Vors.: Haben Sie nicht auch an eine andere Todesart gedacht, junge Mädchen springen doch eher ins Wasser? – Angekl.: Nein. – Staatsanwalt: Es ist jedenfalls auffällig, daß die Angeklagte, die ein Dutzend Patronen gekauft hatte, die Waffe nur mit drei Kugeln geladen hatte. – Angekl.: Ich habe immer, wenn ich nicht wußte, wieviel ich nehmen sollte, die Zahl drei gewählt. Ich dachte, die erste Kugel kann fehlgehen, dann nimmst du die zweite und eventuell die dritte. – Vors.: Fräulein Müller, wenn Sie sich erschießen wollten, dann brauchten Sie doch Reimann nicht dazu hinzubestellen. – Angekl.: Ich weiß selbst nicht, wie das gekommen ist; ich war ganz verwirrt und wollte auch den Schlüssel des Dr. St. haben. – Vors.: Das ist doch aber mehr wie merkwürdig, daß Sie in dieser Situation noch an den Schlüssel gedacht haben? – Angekl.: Ich war damals so verwirrt, daß ich gar nicht wußte, was ich tat. – Die Angeklagte bemerkte ferner auf Befragen des Vorsitzenden: Reimann fing, als er ankam, sofort wieder gemein zu schimpfen an. Es fiel mir auf, daß sehr viele Leute vorübergingen, so daß ich dachte, Reimann habe sich seine Schwestern und andere Bekannte hinbestellt, zumal die Leute mehrmals an uns vorübergingen. – Vors.: Ganz unrecht hatten Sie mit diesem Gedanken nicht, denn tatsächlich hat Reimann zu seiner Schwester geäußert, die späte Stunde des Rendezvous sei ihm auffällig.

Gertrud Reimann bekundete auf Befragen: Ihr Bruder habe beim Weggehen gesagt, es komme ihm komisch vor,

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/235&oldid=- (Version vom 19.2.2023)