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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

der Meinung, daß die Angeklagte den dritten Schuß nicht abgegeben haben könne, da sie drei schon zu nahe herangekommen gewesen seien, und es hätten sehen müssen. Die Angeklagte habe auf dem Wege nach der Polizeiwache von den Vorgängen dieselbe Darstellung gegeben, wie sie sie hier vor Gericht und in ihren Memoiren gegeben hat. Sie erzählte, sie habe den Getöteten recht lieb gehabt und alles aufgewendet, um durch ihren Einfluß ihn zum ordentlichen und brauchbaren Menschen zu machen, und nun habe er sie so schlecht gemacht, daß sie sich habe das Leben nehmen wollen. Als der Wachtmeister auf der Polizeiwache sie fragte, warum sie sich denn gewehrt habe, wenn sie sich doch selbst erschießen wollte, erklärte sie, sie habe Angst vor einer Verstümmelung gehabt. – Vors.: Hat sie erzählt, wie sie in der Nacht nach dem Tiergarten gekommen ist? – Zeuge: Sie sagte, sie wollte sich das Leben nehmen und von dem Getöteten den Hausschlüssel des Dr. St. zurückhaben. – Vors.: Hier in der Verhandlung hat die Angeklagte zuerst gesagt, sie wisse nicht, wie sie dahin gekommen sei. – Angekl.: Ich bin in einer begreiflichen Erregung gewesen und weiß nicht jede Einzelheit. – Vors.: Nun, die Leute, die ihr Leben wegwerfen wollen, die denken doch an etwas anderes, als an die Herausgabe eines Hausschlüssels. – Angekl.: Ich war an jenem Tage überhaupt nicht fähig, zu denken. Ich folgte ganz mechanisch dem, was mir in den Kopf kam, und da Reimann mich zu der Begegnung aufgefordert hatte, bin ich hingegangen. – Vors.: So viel Gedanken hatten Sie aber doch, daß Sie die Zeit des Stelldicheins von 8 Uhr auf 10 Uhr verschoben. – Angekl.: Das habe ich getan, weil ich mich schämte, den Leuten ein Schauspiel durch meinen Selbstmord zu geben. Das wollte ich nicht, und deshalb habe ich eine Zeit gewählt, wo es menschenleer im Tiergarten ist. – Verteidiger Justizrat Friedmann: Hat denn die Angeklagte den Reimann bei ihrer dem Zeugen gemachten Erzählung

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/242&oldid=- (Version vom 20.2.2023)