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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

vernommen, bestätigten diese Bekundung. Sie seien zu Frau Rosengart gekommen, um diese um Lebensmittel zu bitten. – Vors.: Das geschah auch noch vielfach nach dem Tode des Rosengart? – Die Zeugen bejahten das. – Auf die Frage des Vorsitzenden: Weshalb sie alsdann niemals der Frau Rosengart von ihren so sehr wichtigen Wahrnehmungen Mitteilung gemacht haben, zumal doch naturgemäß sehr viel über den Mord gesprochen worden sei, antworteten beide Zeuginnen übereinstimmend: Sie hätten das nicht für wichtig genug gehalten.

Unter allgemeiner Spannung betrat darauf Kaufmann Hermann Adameit (Königsberg), als Zeuge den Sitzungssaal. Dieser, ein hübscher, großer Mann, mit blondem Vollbart und Brille, gab an: Ich bin 35 Jahre alt, evangelischer Konfession. Ich bin der leibliche Bruder der Angeklagten, werde aber Zeugnis ablegen. Am Spätabend des 19. März 1897 wurde ich benachrichtigt, daß mein Schwager, der Rittergutsbesitzer Rosengart in Zögershof, erschossen worden sei. Ich fuhr eiligst nach Zögershof und fand dort in dem Wohnzimmer, wo das Verbrechen passiert war, viele Leute versammelt. Von dem Täter war zunächst keine Spur vorhanden. Ich blieb vorläufig in Zögershof. Einige Tage nach dem Morde wurde Inspektor Rieß wegen Verdachts der Täterschaft verhaftet. Etwa acht Tage später fiel mir meine Schwester plötzlich um den Hals, begann zu weinen und sagte:

„Lieber Bruder, du bist der einzige, dem ich mich anvertrauen kann. Ich will dir gestehen, mein Mann hat mich in der letzten Zeit furchtbar geschlagen und beschimpft, so daß ich es nicht mehr aushalten konnte. Rieß hat ihn erschossen. Das Gewehr, mit dem er geschossen hat, ist im Speicher versteckt gewesen.“

Ich fragte, wo ist das Gewehr? Meine Schwester wußte mir nicht darauf zu antworten, meinte aber, daß das Gewehr nicht in der Wohnung des Rieß in Ernsthof sein werde. Ich untersuchte zunächst den Speicher, konnte aber

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/35&oldid=- (Version vom 6.9.2019)