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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10

oftmals Gelegenheit gesucht und auch gefunden, allein zusammen zu sein. Daß sie dabei kein Paternoster gebetet haben, ist klar; ich will aber trotzdem nicht behaupten, daß ein sträflicher Verkehr stattgefunden hat. Für mich steht aber so viel fest: Rieß und die Angeklagte haben sich geliebt. Dafür sprechen einmal die verschiedenen Zeugenaussagen, aber auch das eheliche Leben von beiden. Sie haben Frau Rieß hier gesehen, diese macht zweifellos einen blöden Eindruck. Daß diese Frau nicht befähigt war, dem Rieß sein Haus zu bauen, ist ohne weiteres anzunehmen. Rieß hat allerdings seine Frau nicht mißhandelt. Er war, im Gegensatz zu Rosengart, ein gutmütiger Mensch von geradezu weichem Gemüt. Das schließt aber nicht aus, daß er bemüht war, die Liebe der Frau Rosengart zu gewinnen und sich dieser nähern zu können. Deshalb gab er ihrem Drängen nach, ihren Mann aus dem Wege zu räumen. Frau Rosengart hatte alle Ursache, sich ihres Mannes zu entledigen. Sie wurde von ihrem Manne oftmals in brutalster Weise mißhandelt und sie wollte ungehindert mit Rieß verkehren. Ich zweifle keinen Augenblick, daß die Angeklagte oftmals ihren Mann vor Mißhandlungen der Arbeiter geschützt hat. Es ist sehr erklärlich, daß in Augenblicken, wo der Haß gegen den Mann nicht gerade akut ist, die Frau den Mann vor Mißhandlungen schützen wird. Sie handelt dabei schon aus Eigennutz, denn sie wäre andernfalls schließlich genötigt, den Mann zu pflegen. Daß die Angeklagte eine große Neigung zum intimen Verkehr mit Männern hatte, hat die Beweisaufnahme hinlänglich ergeben. Ich behaupte nicht, daß die Angeklagte auch mit dem Kutscher Busch ein Verhältnis hatte, einen solchen Geschmack traue ich der Angeklagten nicht zu. (Heiterkeit im Zuhörerraum.) Ich glaube viel eher, die Angeklagte hatte sich nur von Busch auf der Chaussee begleiten lassen, weil sie hier in der Stadt andere Liebesabenteuer im Sinne hatte und sich deshalb von ihrem Personal nicht abholen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 10. Hermann Barsdorf, Berlin 1914, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_10_(1914).djvu/93&oldid=- (Version vom 1.8.2018)