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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1

mehr als Mutter anerkennen. Die Angeklagte nannte darauf ihre Tochter „Die Person“. Paula Berkefeld, während deren Vernehmung zumeist wegen Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde (die Vertreter der Presse durften im Saale bleiben), machte sehr belastende Aussagen. Sie ließ kaum einen Zweifel, daß ihre Mutter das von ihr (Zeugin) im Sommer 1902 geborene Kind sogleich nach der Geburt getötet habe. Paula Berkefeld bemerkte auf Befragen: Der Arzt habe ihr geraten, im Eppendorfer Krankenhause ihre Geburt abzuwarten. Sie habe aber eines Nachmittags, als sie sich gerade in der Schröderschen Wohnung befand, Geburtswehen bekommen. Die Wiese wurde von Schröder herbeigerufen. Die Wiese habe sie heftig geschlagen, so daß Schröder dazwischen trat. Alsdann habe ihr die Wiese Geburtshilfe geleistet. Die Wiese habe das Kind in einen Eimer mit Wasser fallen lassen und alsdann auf einen Sack gelegt. Sie habe gesehen, daß das Kind mit den Beinen zappelte, männlichen Geschlechts war und schwarze Haare hatte. Die Wiese sagte zu ihr: „Mache das Kind tot!“ Darauf habe sie geantwortet: Das kann und will ich nicht. — Sie sei alsdann in Ohnmacht gefallen und habe sich erst am folgenden Tage wieder erholt. Das Kind sei nicht mehr dagewesen. — Vors.: Sind Sie nicht einmal vorübergehend aus Ihrer Ohnmacht aufgewacht? — Zeugin: Jawohl. — Vors.: Machten Sie sich dabei keine Gedanken, wo lhr Kind geblieben sei? — Zeugin: Ich nahm an, die Wiese würde das Kind in Obhut nehmen. Am folgenden Tage sagte mir die Wiese auf mein Befragen, wo das Kind sei: Das Kind ist tot. Ich habe es nach einem Marien- und Eckernförderstraßenecke belegenen Beerdígungsinstitut gebracht und 20 Mark bezahlt, damit das Kind beerdigt werde. — Vors.: Was hat Ihnen die Wiese außerdem noch erzählt? — Zeugin: Sie sagte: wenn man ein neugeborenes Kind in einen Eimer mit Wasser stecke, dann sterbe es. Sie habe das Kind zunächst in einen Kasten legen wollen, sei

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 1. Hermann Barsdorf, Berlin 1910, Seite 162. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_1_(1910).djvu/166&oldid=- (Version vom 1.8.2018)