Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 1 (1910).djvu/245

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Wir stehen vor Dingen, die wir nicht erklären können. Die Angeklagte ist eine kranke hysterische Person. Wenn man von einem Opfer des Spiritismus reden kann, so ist die Angeklagte das bedauernswerteste. –

Nach nur kurzer Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Gartz folgendes Urteil: Der Gerichtshof erachtet diejenigen, die zu der Angeklagten gegangen sind, um Vorführungen aus der Geisterwelt zu sehen, und dafür Taschenspielerkunststücke erhalten haben, in ihrem Vermögen geschädigt. Sie haben nicht das erhalten, was sie vertraglich zu beanspruchen hatten. Was die Aussagen der Zeugen betrifft, die bekundet haben, daß sie übersinnliche Dinge wahrgenommen hatten, so steht der Gerichtshof auf dem Standpunkt der Sachverständigen, daß das, was Gemeingut der Wissenschaft heutzutage ist, was von der Mehrzahl der Gebildeten als das Richtige in der Wissenschaft anerkannt wird, hier Platz greifen muß. Hätte die Angeklagte gesagt, daß Naturkräfte in ihr wohnen, die sie sich nicht erklären kann, so konnte sie nicht verurteilt werden. Wenn sie aber von übernatürlichen Dingen spricht, so hat sie etwas gesprochen, was sie nicht leisten kann. Nach Ansicht des Gerichtshofes haben die Leute nicht sorgfältig beobachtet und sind getäuscht worden. Die Zeugen waren auch sehr geneigt, sich täuschen zu lassen, wie die Schlußfolgerungen, die Professor Sellin bei dem Vorgang in Zürich aus der Theorie des Astralleibes gezogen hat, beweisen. Wer so beobachtet, kann nicht als zuverlässiger Beobachter gelten. Auch bei anderen Personen liegt mangelhafte Beobachtung vor. Die Apporte stehen nach Ansicht des Gerichtshofs fast ausschließlich im engen Zusammenhange mit den Trancereden. Jedenfalls sind die Leute nicht zu der Angeklagten gegangen, um nur Trancereden zu hören. Diese Reden sind auch nicht in bewußtlosem Zustande gehalten worden. Der § 51 trifft daher nicht zu. Bei der Strafzumessung mußte berücksichtigt werden, daß die Angeklagte eine hysterische