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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

war als Ehemann ebenso schwer anzubringen, wie in der letzten Zeit seine Wechsel. (Heiterkeit im Zuhörerraum.) Er mußte sich auch die Frage stellen: Wie ist es, wenn ich keine reiche Heirat machen kann und nicht das große Los gewinne? Der Angeklagte hat auch selbst erklärt: Ich befolgte den Grundsatz und mußte ihn befolgen: nur die am meisten drängenden Gläubiger zu befriedigen. Der Erste Staatsanwalt beleuchtete alsdann die Warenerschwindlungen. Es liege in allen diesen Fällen Betrug vor. Der Arrest- und Siegelbrüche habe sich der Angeklagte schuldig bekannt. Mildernde Umstände, so etwa schloß der Erste Staatsanwalt, stehen dem Angeklagten in keiner Weise zur Seite. Der Angeklagte hat das Ansehen des preußischen Richterstandes in einer Weise herabgesetzt, wie es noch niemals vorgekommen ist. Volle Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit ist von jeher der Stolz der preußischen Richter gewesen. Der Angeklagte ist in dieser Beziehung der Versuchung erlegen. Ich gebe zu, daß die Sache auch milde Seiten hat. Der Angeklagte ist der Sohn unbemittelter Eltern. Sein Vater ist frühzeitig gestorben, seine Mutter erhielt nur eine kärgliche Pension. Er war daher genötigt, als Student und Referendar Schulden zu machen, so daß, als er als Richter angestellt wurde, er eine Schuldenlast von 8000 Mark hatte. Dazu kam, daß sein Hauptgläubiger Pilz in Konkurs geriet. Pflicht des Angeklagten wäre es aber gewesen, sich einzurichten und nach und nach seine Schulden abzutragen. Anstatt dessen führte der Angeklagte, der als er Richter wurde, bereits 42 Jahre alt war, einen furchtbar unsoliden, ja ausschweifenden Lebenswandel. Er schaffte sich eine kostbare Möbeleinrichtung an, gab ein horrendes Geld für Anzüge aus, kaufte sich eine Uhr für 500 Mark, bald darauf eine Uhr für 2000 Mark, machte an Frauen, wie Frau Just und Frau Eisner, kostbare Geschenke und verkehrte in Kreisen wie Eisner, Just, Abraham, Hepner, Klehr, Granzow usw. Daß viele dieser Leute bestraft waren, kümmerte

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 114. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/118&oldid=- (Version vom 13.12.2023)