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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

an und zwar an der offiziellsten Stelle, die überhaupt für die ganze Meldung in Betracht kam. An dieser Stelle wurde uns nun versichert, der Zarentoast sei nur durch ein Versehen in unrichtiger Fassung zur Veröffentlichung gelangt.“ Oberhofmarschall Graf August Eulenburg erblickte in diesen Artikeln den Vorwurf: er habe sich aus politischen Gründen – englischen Einflüssen folgend – einer Fälschung der Zarenrede schuldig gemacht, um das zu hintertreiben, was im Sinne seines kaiserlichen Herrn lag, nämlich die Annäherung Deutschlands an Rußland. Die Behauptungen enthielten somit den Vorwurf der Fälschung, des Verrats und des gröblichsten Vertrauensbruchs. Es wurden sofort eingehende Ermittelungen angestellt. Diese ergaben, daß der Verfasser dieser Artikel der Leutnant a. D. Journalist Karl v. Lützow war, der, wie er angab, das Material von dem zwanzigjährigen Journalisten Heinrich Leckert erhalten hatte. Letzterer habe ihm wiederholt die ausdrückliche Versicherung gegeben: Er habe die Information von dem Staatssekretär des Auswärtigen Amts, Freiherrn v. Marschall erhalten. Er (v. Lützow) habe die Artikel erst geschrieben, nachdem ihm Leckert die ehrenwörtliche Versicherung gegeben hatte, daß alles auf Wahrheit beruhe. Leckert habe als seinen Gewährsmann auch den Sohn des Reichskanzlers, den Prinzen Alexander von Hohenlohe genannt und ihm mitgeteilt: Er sei mehrere Male von Herrn v. Marschall empfangen worden. Dieser habe großes Interesse an der Veröffentlichung und Weiterführung der Artikel ausgedrückt. Leckert und v. Lützow behaupteten außerdem: Freiherr v. Marschall und der Chef der Preßabteilung im Auswärtigen Amt, Wirkl. Geh. Legationsrat Dr. Hammann haben sie zu den gegen den Oberhofmarschall Grafen zu Eulenburg gerichteten Verleumdungen angestiftet und zu deren Veröffentlichung beigetragen. Gegen Leckert und v. Lützow wurde deshalb Strafantrag wegen wider besseres Wissen begangener verleumderischer Beleidigung gestellt und

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 130. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/134&oldid=- (Version vom 25.7.2023)