Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 4 (1911).djvu/16

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

des Mordes verhaftet. Er wurde nach einiger Zeit entlassen und ist jetzt spurlos verschwunden. – Es wird alsdann der älteste Bruder der ermordeten Lucie, der 21jährige Tischlergeselle Carl Berlin als Zeuge vernommen! Er bekundete: Lenz sei ein großer, breitschultriger Mann mit schwarzem aufgewirbeltem Schnurrbart und kleinem Spitzbart gewesen. Die Lucie habe vielfach, sowohl in der Wohnung der Liebetruth als auch in der der Seiler verkehrt. Sie nannte Berger „Onkel“, zu Lenz dagegen sagte sie „Herr Lenz“. – Vors.: Wie kam es, daß das Kind so häufig in den Wohnungen von Prostituierten verkehrte? – Zeuge: Ich war stets dagegen und habe auch meiner Mutter gegenüber Bedenken geäußert, die Mutter sagte aber: das Kind versteht das ja noch nicht. – Der Zeuge bekundete im weiteren: Seine Schwester Lucie hatte mit Lenz oftmals nach den Klängen eines Leierkastens getanzt. Lenz habe vielfach in einem in der Turmstraße belegenen „Nuttenkeller“ verkehrt. Es sei das ein Keller, in dem Männer und halbwüchsige 13- bis 16jährige Prostituierte verkehren. – Bei der hierauf erfolgten Vernehmung der Prostituierten Seiler wurde auf Antrag des Staatsanwalts wiederum die Öffentlichkeit, einschließlich der Vertreter der Presse, ausgeschlossen. Die Seiler soll bekundet haben: Sie habe seit vielen Jahren mit Lenz ein intimes Liebesverhältnis unterhalten. Lenz habe bei ihr gewohnt. Sie stehe unter sittenpolizeilicher Kontrolle und habe dem Lenz, der ihr Zuhälterdienste leistete, den Lebensunterhalt gewährt. Der Aufenthalt des Lenz sei ihr unbekannt. Die kleine Lucie sei vielfach in ihre Wohnung gekommen, da sie ihr Gänge besorgt habe. Ob Lenz mit dem Kinde getanzt habe, wisse sie nicht. – Nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit wurden einige Leute, auch Kinder vernommen, die am 9. Juni mittags die kleine Lucie in Gesellschaft eines Mannes gesehen haben wollen. – Kriminalkommissar Wannowski bekundete: Die von ihm vernommenen Kinder haben sämtlich

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/16&oldid=- (Version vom 1.8.2018)