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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

der Depesche bezüglich des Kaisertoasts betrifft, so setzte ich voraus, daß der Stenograph nicht in der Lage sei, französisch zu stenographieren; ich habe deshalb den Toast des Kaisers von Rußland sofort so aufgeschrieben, wie ich ihn gehört habe, und habe den Text von einem hochgestellten russischen Beamten verifizieren lassen. Unter den Teilnehmern der Galatafel konnte gar kein Zweifel darüber obwalten und waltete nicht ob, was der Kaiser von Rußland gesagt habe. Ich reiste am 7. September nach Karlsruhe ab und las in der Zeitung zu meinem Erstaunen, daß das Wolffsche Bureau einen falschen Text der Rede veröffentlicht habe. Ich telegraphierte deshalb von Karlsruhe aus sofort an das Auswärtige Amt und wies dies an, Nachforschungen darüber anzustellen, wie es möglich war, daß das Wolffsche Bureau noch vor der Zustellung des amtlichen Wortlautes einen Vorbericht mit einem falschen Text veröffentlichte. Da hat sich dann ergeben, daß hier ein Versehen des Berichterstatters de Grahl vorlag. Herr de Grahl hat seinen Standort als „auf der Galerie“ eines Nebensaales oder in einem mit einer Erhöhung versehenen Nebensaale bezeichnet. Daß ein Doppeltext des Toastes vorhanden gewesen, von denen der eine reprobiert und der andere akzeptiert worden sei, sind müßige Erfindungen. Von Verabredungen nach dieser Richtung hin müßte ich etwas wissen, solche Verabredungen haben nicht bestanden. Das Hofmarschallamt hat mit diesen Dingen überhaupt nichts zu tun, sondern nur das Zivilkabinett. Als ich nach Berlin zurückkehrte, erfuhr ich von den Artikeln der „Welt am Montag“, die ich bis dahin gar nicht kannte und der „Staatsb.-Ztg.“, die sich mit der angeblichen offiziösen Preßwirtschaft und der Fälschung des Kaisertoastes beschäftigte. Ich war höchst erstaunt darüber, erwiderte aber dem Herrn Dr. Hammann auf dessen Frage, ob man eine Berichtigung loslassen solle, daß dies nicht nötig sei, da die Sache zu unsinnig sei, und daß eine Berichtigung höchstens

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 158. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/162&oldid=- (Version vom 5.11.2023)