Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 4 (1911).djvu/249

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

nach einer Abstrafung zu sehen bekam und diese nicht für zu stark hielt. Der Zeuge erinnerte sich nicht. – Regierungsbaumeister Drescher bekundete: Er war in Mieltschin überrascht, „wie wenig zuchthausmäßig die Anstalt und die ganze Behandlung war“. – Vors.: Gingen Sie davon aus, die Behandlung von Fürsorgezöglingen müsse zuchthausmäßig sein? – Zeuge: Das nicht. Aber körperliche Mißhandlungen sah ich nicht. Ich hatte den Eindruck, daß Br. an seine Aufgabe mit großer Begeisterung heranging. – Ingen. Heinschke, der als Beauftragter der Deutschen Lagerhausgesellschaft in der Anstalt Mieltschin Bauarbeiten ausführte, hat „die Jungen sehr vergnügt“ gefunden. Polier Wittig und Monteur Fleischer seien dem Pastor feindlich gesinnt gewesen, letzterer habe ihm auch mal mit einem Verwandten in Berlin gedroht, der „bei der Sozialdemokratie eine führende Stellung habe und dem er alles mitteilen werde.“ – Vorsitzender: „Lassen wir die partei-politischen Erörterungen aus dem Spiel.“ – Die Erörterung der Einzelfälle begann mit dem Fall Auders, an dem die Angeklagten Breithaupt und Engels beteiligt waren. Der Schneiderlehrling Auders hatte bei seiner Einlieferung am 4. Mai 1909 im Stiefel einen Brief für einen anderen Zögling mitgebracht und entfloh dann. Nach seiner Wiederergreifung ließ Breithaupt ihm durch Engels 50 Peitschenhiebe geben. Einige Zeit später soll Auders zu einem bei dem Umbau der Anstalt beschäftigten Maurer gesagt haben: „Lassen Sie nur erst die kessen Jungens aus Berlin kommen, dann spielen wir die Herren und hauen den Meistern die Jacke voll.“ Die Frau des Aufsehers Wrobel, die das angeblich gehört hat, hinterbrachte es dem Pastor, und der verordnete die üblichen Hiebe. Wieviel waren es, fragte der Vorsitzende. „Es werden wohl 50 gewesen sein,“ meinte Engels. Breithaupt mußte dem Gericht vormachen, wie er mit der Peitsche geschlagen habe. Er bemerkte dazu: „Mit aller Wucht, aber nicht mit voller Körperkraft.“ Der Vorsitzende stellte fest, daß Auders

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/249&oldid=- (Version vom 17.12.2023)