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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

habe der Zeuge nicht erhalten. Preußer sei ein sehr gefährlicher Bursche gewesen, der auch des wiederholten Diebstahls verdächtig war. – Wrobel bestritt, daß er Preußer mit dem Gummiknüppel geschlagen habe. – Staatsanwaltschaftsassessor Dr. Simon: War Ihnen nicht bekannt, daß Preußer im März 1909 in Lichtenberg einen Oberschenkelbruch erlitten hatte? – Breithaupt: Nein. – Es wurde darauf eine Anzahl Fürsorgezöglinge vernommen, die die Angaben des Preußer bestätigten. – Es folgte der Fall des Fürsorgezöglings Wulf. Dieser war bereits seinem Meister und verschiedenen Erziehungsanstalten entlaufen. Nachdem er wegen schweren Diebstahls mit sechs Monaten Gefängnis bestraft worden war, wurde er Mitte Mai 1909 nach Mieltschin gebracht. Schon nach zwei Tagen entlief er mit dem Zögling Bein. Als er wieder zurückgebracht wurde, erhielt er auf Befehl Breithaupts von Engels eine sehr große Anzahl Hiebe. Bein kam mit wenigen Schlägen davon. Nach der Exekution wurden beiden Zöglingen die Hände auf dem Rücken und die Füße gefesselt. Alsdann wurden beide in dunkle Arrestzellen gesperrt. Nach Beendigung des Arrestes wurde Wulf wiederum über den Schemel gelegt und erhielt 80 Peitschenhiebe, weil ein Stück Meißel bei ihm gefunden wurde, das er augenscheinlich zum Sprengen seiner Fessel verwenden wollte. Später erhielt Wulf nochmals 50 Peitschenhiebe, weil er sich beim Kartoffelschälen gesetzt hatte. – Hierauf wurde der Fürsorgezögling Bein als Zeuge aufgerufen. Er erklärte: Ich kann nicht schwören, denn ich soll doch bei Gott schwören. Infolge der schrecklichen Behandlung, die ich von einem Pastor erlitten, kann ich aber nicht mehr an Gott glauben. (Große Bewegung.) – Vors.: Sie sind verpflichtet, auch wenn Sie nicht an Gott glauben, den vorgeschriebenen Eid nachzusprechen und daran zu denken, daß es eine niederträchtige Gemeinheit wäre, wenn Sie vor Gericht die Unwahrheit sagten. Bein wurde hierauf vereidigt. Er bekundete alsdann: Als er mit Wulf geflohen

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 272. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/276&oldid=- (Version vom 19.12.2023)