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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4

auch dann immer noch Vorsicht gegenüber Fürsorgezöglingen geboten ist. Die Angeklagten selber haben mehrfach da, wo sie den Hergang milder darstellten, auf Vorhalten zugegeben, die Aussagen der Jungen würden wohl richtig sein. Sie sind auch bestätigt worden durch andere Jungen, die mit den übrigen Zeugen nicht in Berührung gekommen und nicht von ihnen beeinflußt sein konnten. Was nun die einzelnen Straftaten anlangt, so wird als erwiesen angesehen, daß Winkler von Engels auch Hiebe auf die Fußsohlen erhalten hat. Der Gerichtshof hat sich aber nicht auf den Standpunkt gestellt, daß sie von vornherein als Strafmittel beabsichtigt gewesen seien. Erst wenn die Zöglinge nicht ruhig lagen, kam Breithaupt der Gedanke: „Na, wenn du sie nicht aufs Gesäß haben willst, dann sollst du sie auf die Fußsohlen bekommen!“ Ausgeschlossen erscheint dem Gerichtshof, daß nur Widerstand gebrochen werden sollte. Der Fall Mauthe ist so brutal, daß man ihn nicht für möglich halten sollte, wenn er nicht durch die Erregung Breithaupts zu erklären sei. Hier, wo wahllos auf den Jungen eingehauen wurde, handelt es sich zweifellos um eine das Leben gefährdende Körperverletzung. Auch der Fall Ruppert liegt sehr schwer. Ruppert ist ein in der Tat erbarmungswürdiger Junge, der auf Wunsch seiner Eltern in Fürsorgeerziehung gekommen war, obwohl eigentlich nicht viel gegen ihn vorlag. Er ist dann Breithaupt in die Finger geraten, der ihn als schwächlichen Jungen hätte erkennen müssen. Er hatte ja auch selber gesehen, wie furchtbar die Seelenqualen des Jungen waren, wenn er den Züchtigungen anderer zuschauen mußte. Diesem schonungsbedürftigen Jungen sind von Engels und Breithaupt in der Zeit vom Abend bis zum andern Vormittag wohl über 100 Peitschenhiebe verabreicht worden. – Bei der Strafzumessung war zu erwägen, daß eine ganze Reihe von Momenten zugunsten Breithaupts und seiner Gehilfen zu berücksichtigen sind. Breithaupt hat subjektiv immer nur

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 4. Hermann Barsdorf, Berlin 1911, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_4_(1911).djvu/300&oldid=- (Version vom 22.12.2023)