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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5

Butzmann war in der ersten Verhandlung eine der Hauptbelastungszeuginnen. Sie war über 18 Jahre lang Wäscherin im Stift. – Vors.: Die Angeklagte soll öfter gefragt haben, ob der Wagner denn gar nichts fehle, daß sie herauskommen könne. Haben Sie das der Wagner wiedererzählt? – Zeugin: Ja. Ich sagte ihr auch, sie solle gehen; sie antwortete: Weshalb denn? Es sei ja kein Anlaß dazu da. Einmal sagte ich zur Angeklagten: „Das war doch eine teuflische Rache.“ Darauf erwiderte die Angeklagte: „Sie glauben wohl, ich bin es gewesen?“ Im Garten sagte die Angeklagte einige Tage später zu mir: „Beten Sie nur recht tüchtig, daß die Geschichte gut ausgeht. Sie bekommen etwas Schönes, wir gehen dann nach Altöttingen wallfahrten.“ – Ingenieur Lippmann, früher in München, später Lehrer an der Königl. Maschinenbauanstalt in Köln, bekundete: Ich habe unter dem Eindruck der öffentlichen Meinung Mitleid mit der Wagner empfunden und sie in meinen Haushalt genommen, wo sie mit leichter Hausarbeit und der Beaufsichtigung meines damals zweijährigen Kindes beschäftigt wurde. Sie machte zunächst einen sehr bescheidenen Eindruck und bedankte sich herzlich. Statt aber am 16. den Dienst anzutreten, kamen ihre Sachen erst acht Tage später, und es hieß, sie selbst habe eine falsche Bahn benutzt. Endlich erschien sie am 27. und sagte, sie hätte an einem Magenübel gelitten, während Justizrat Feust mir geschrieben hatte, sie sei vor Freude krank. Schon am Tage, nachdem sie eintrat, wurde das Fehlen von Lebensmitteln bemerkt, obwohl sie erklärt hatte, sie dürfe gar nichts essen. Eines Tages kam sie vom Dr. Decker zurück und erklärte, sie dürfe jetzt wieder alles essen, solle viel Bier trinken und Saures essen. Dabei war sie sechs Stunden weggewesen und roch nach Schnaps. Als Entschuldigung gab sie an, der Doktor habe ihr etwas eingegeben, was so sauer gerochen habe. Auf der Straße habe sie sich übergeben müssen; da sei ein Schutzmann

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 5. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_5_(1912).djvu/218&oldid=- (Version vom 1.8.2018)