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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

die Genehmigung nicht zweifelhaft sei. Es sei bekannt, daß Se. Majestät ein besonderes Interesse für die große Döberitzer Heerstraße stets bekundet habe. In dem inkriminierten Artikel werde nun u. a. gesagt: die Heerstraße findet erst ihre Erklärung in dem „Schloßbauprojekt“. Dies zeige deutlich, daß der Artikel direkt auf den Kaiser gemünzt sei. Wenn weiter gesagt werde: „Die Hofleute haben nicht einmal an den Reichstag gedacht“, so werde damit implicite gesagt: der Kaiser habe schon zugestimmt. Man habe in dem Artikel die volle Zustimmung des Kaisers zu dem Plan hervorheben wollen, und es sei nicht möglich, sich mit der Behauptung vorbeizudrücken, man habe den Kaiser nicht gemeint, sondern seine Ratgeber. Die Behauptung, die der Artikel enthalte, stelle aber eine schwere Majestätsbeleidigung dar, denn sie suche die Ansicht zu erregen, daß der Monarch in bloßer Furcht vor der Revolution, in ernster Sorge um seine Sicherheit, merkwürdigen Plänen zuneige, daß er daran denke, sich vor dem Ansturm der Revolution in Sicherheit zu bringen. Das sei eine grobe Beleidigung für den Monarchen, der mit fester Hand das Steuer des Staatsschiffes lenke, einer Persönlichkeit gegenüber, wie unserem Kaiser, der bis jetzt noch nie die geringste Absicht zu erkennen gegeben habe, sich vor seinem Volke abzuschließen, der sich fast täglich seinem Volke zeige, seine Spaziergänge im Tiergarten mache. Von einem solchen Monarchen werde behauptet, er traue nicht mehr seinem Volke und auch nicht mehr seinem Heere. Wenn solche Pläne wirklich gefaßt würden, dann würde das allerdings an Tiberius erinnern, der sich bekanntlich auf Anraten der Prätorianer auf die Insel Capreae zurückgezogen habe. Ähnliches werde hier dem Kaiser angedichtet. Nach dem Ergebnis dieser Beweisaufnahme könne kein Zweifel sein, daß eine bloße Erfindung vorliege. Es sei auch nicht das geringste Körnchen Wahrheit vorhanden. Erwäge man auch nur, durch welchen Schmutzkanal die Behauptung in die

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/100&oldid=- (Version vom 1.8.2018)