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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

katholischen Würdenträger erkennen. Nach Verlesung des Anklagebeschlusses stellte der Vorsitzende an den Oberstaatsanwalt die Frage, ob er einen Antrag auf Ausschluß der Öffentlichkeit zu stellen habe. – Oberstaatsanwalt: Ich habe keinen Anlaß, einen solchen Antrag zu stellen. Es werden in der Verhandlung kaum Dinge zur Sprache kommen, die eine Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit besorgen lassen. – Vert. J.-R. Dr. Schmitt: Ich bin vollständig der Ansicht des Herrn Oberstaatsanwalts. Ich bin aber auch deshalb gegen den Ausschluß der Öffentlichkeit, da alsdann in der Öffentlichkeit die Ansicht Platz greifen könnte, der Herr Angeklagte habe Dinge begangen, die das Tageslicht zu scheuen haben. Die Verhandlung könnte jedoch ergeben, daß dies durchaus nicht der Fall sei. – Angekl.: Ich bitte ebenfalls den hohen Gerichtshof, die Öffentlichkeit nicht auszuschließen. Andernfalls wird in der Außenwelt die Meinung entstehen, ich hätte Dinge begangen, die nicht öffentlich verhandelt werden dürfen. – Nach längerer Beratung des Gerichtshofes verkündete der Vorsitzende: Der Gerichtshof hat beschlossen, die Öffentlichkeit auszuschließen, da hier doch Dinge erörtert werden müssen, wodurch eine Gefährdung der öffentlichen Sittlichkeit zu besorgen ist. Der Zuhörerraum ist zu räumen. – Auf Antrag eines Wormser Zeitungsberichterstatters beschloß der Gerichtshof, den Vertretern der Presse den Zutritt zu gestatten. – Es wurde hierauf der Angeklagte vernommen. Er erklärte auf Befragen des Vorsitzenden: Er sei vollständig unschuldig. Es sei seine Pflicht als Seelsorger und Religionslehrer, darüber zu wachen, daß seine Schüler und Schülerinnen nicht unsittliche Dinge begehen. Es sei ihm aber von glaubwürdiger Seite mitgeteilt worden, daß zwei seiner Schülerinnen mit einem seiner Religionsschüler, einem vierzehnjährigen Knaben, Unzucht treiben. Er habe deshalb die Mädchen in energischer Weise zur Rede gestellt. Da sie beharrlich leugneten, habe er den Knaben

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/109&oldid=- (Version vom 7.1.2019)