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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

zugegeben, daß er das Kind geküßt hat? – Zeugin: Jawohl. – Vors.: Hat der Propst vielleicht gesagt: Ich habe das Kind bloß gestreichelt? – Zeugin: Nein, er sagte: Ich habe das Kind geküßt. – Auf weiteres Befragen äußerte die Zeugin: Am 17. Januar ds. Js. sagte Katharina: Der Propst hat mich heute zu sich bestellt. Weshalb hat dich der Herr Propst bestellt? fragte ich. Das weiß ich nicht, versetzte Katharina. Hedwig Schmidt ist auch zum Propst bestellt. Als die Katharina zurückkam, war sie ganz verändert. Sie weinte heftig und erzählte: Sie und auch Hedwig Schmidt seien vom Propst durch Schläge und Drohungen gezwungen worden, ein Schriftstück zu unterschreiben, in dem sie erklärten: sie haben mit Franz Werner unanständigen Verkehr gehabt. Als sie (Katharina) unterschrieben hatte, habe sie gesagt: Ich habe unterschrieben, aber getan habe ich es nicht, es ist alles gelogen. Darauf habe sie der Propst so heftig auf den Kopf geschlagen, daß ihr die Ohrringe herausgefallen seien. Sie sei außerdem vom Propst so gestoßen worden, daß sie mit dem Kopf an die Wand geprallt sei. Das Kind klagte über heftige Kopfschmerzen. Die Ohrmuscheln waren rot und blau unterlaufen und dick angeschwollen. Der Propst habe sie nach erhaltenen Schlägen an sich gezogen, geküßt, sie unzüchtig berührt, aufs Sofa geworfen und entblößt. Er habe alsdann unanständige Dinge mit ihr vornehmen wollen, mit dem Bemerken: Jetzt machst du das mit mir, was du mit Werner gemacht hast. Sie habe den Propst abgewehrt und gesagt: Nein, ich habe mit Werner nichts gemacht. Was Sie mit mir machen wollen, ist Sünde. „Wenn du es mit Werner machst, dann ist es Sünde, wenn du es mit mir machst, ist es keine Sünde“, habe der Propst gesagt (Bewegung.) Ich begab mich sofort zum Propst und stellte ihn zur Rede. Da sagte der Propst: Das Mädchen ist schlecht, sie hat mit einem „Bub“ unsittlichen Verkehr gehabt, deshalb habe ich es gezüchtigt. Ich war sehr aufgebracht und sagte: Das

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 113. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/117&oldid=- (Version vom 1.8.2018)