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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

den ich einer unrechten Handlung überhaupt nicht für fähig erachte. – Vors. (unterbrechend): Das meinen Sie. Wir müssen uns aber auf Grund der Verhandlung selbst ein Bild von dem Charakter des Angeklagten bilden. – R.-A. Dr. Jaffé: Ich bitte doch aber, den Zeugen ausreden zu lassen. Es ist ohne weiteres zulässig, einen Leumundszeugen zu vernehmen. – Zeuge (fortfahrend): Ich habe nur den Eindruck gewonnen, daß Graf Metternich Geld brauchte. Ich glaube auch, daß er bei einem Geldgeber vollständig hereingefallen wäre. Nach meiner Meinung ist es Schuld des Vaters des Angeklagten, daß Graf Metternich überhaupt in diese Situation kommen konnte. Es ist unverantwortlich von dem Vater, einen so jungen Menschen allein und ohne Subsistenzmittel in Berlin zu lassen. – Vors.: Aber das ist doch keine Zeugenaussage. – Zeuge: Der Graf steht mir sehr nahe, ich habe ihn sehr gern. – Staatsanw.-Rat Porzelt: Wie oft sind Sie denn eigentlich mit dem Grafen zusammengekommen? – Zeuge: Vielleicht zwei- bis dreimal. – Staatsanw.-Rat Porzelt: Und das hat genügt, sich ein so umfangreiches Wissen über den Charakter des Grafen Metternich zu bilden? – Zeuge (mit erhobener Stimme): Herr Staatsanwalt, es kommt nicht darauf an, wie oft man mit einem Menschen zusammenkommt, um ihn richtig kennen zu lernen. Es ist möglich, Herr Staatsanwalt, daß Sie nicht in der Lage sind, so wie ich als alter Mann, einen Charakter zu erkennen. – R.-A. Dr. Jaffé: Ist es richtig, daß Sie den Grafen in eine Familie eingeführt haben? – Zeuge: Jawohl, der Graf, der damals erst 21 Jahre alt war, war aber zu jung. Er konnte doch aber von anderen reichen jungen Damen geheiratet werden. – R.-A. Dr. Alsberg: Nehmen Sie an, Herr Generalmajor, daß der Angeklagte bei seinem ganzen Auftreten sehr wohl der Ansicht sein konnte, seine Verhältnisse jeden Augenblick durch eine reiche Heirat zu sanieren? – Zeuge: Natürlich konnte er dies glauben. Außerdem hätte ich dem Grafen jeden Augenblick Geld

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Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 203. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/207&oldid=- (Version vom 23.12.2022)