Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/273

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

sein Vater mußten sich sagen, daß diese Summe nicht zum Lebensunterhalt ausreichen, sondern nur die Existenzmöglichkeit, die Möglichkeit einer Wohnung, gewähren konnte. Nach kurzem Aufenthalt in Frankfurt kam der Angeklagte nach Berlin. Das Gericht hat keinen Zweifel daran, daß der angebliche Baron v. Teplitz-Zeuner ein Schwindler war, und daß der Angeklagte nicht gewußt hat, daß dies der Fall war, vielmehr geglaubt hat, daß dieser ihm eine Stellung verschaffen würde. Bald mußte der Angeklagte aber erkennen, daß es sich um einen Schwindler handelte, nachdem er ihm selbst einen Wechsel über 5000 Mark gegeben hatte. Nun stand der Angeklagte wieder dem Nichts gegenüber. Jetzt setzt nun das Verhalten des Angeklagten ein, wie es im Eröffnungsbeschluß ihm als Straftat zur Last gelegt wird. Er hatte nichts und hatte auch einstweilen keine Aussicht, Geld zu bekommen. Er hat alsdann in keiner ernstlichen Weise sich bemüht, sich Arbeit, eine Anstellung, überhaupt einen Verdienst zu verschaffen, sondern er hat angefangen daraufloszuleben, und dieses Leben gründete er, wie er wußte und wissen mußte, nur auf Schulden und auf eine ganz unsichere Aussicht, später in bessere Verhältnisse zu kommen. Erleichtert wurde ihm das sehr; Kredit wurde ihm von allen Seiten entgegengebracht infolge seines Namens. Der Angeklagte hat gelebt, und wie hat er gelebt! Das muß man bedenken. Da wird ein Automobil gekauft, ein teures Reitpferd, beim Schuhmacher wird eine Rechnung von 500 Mark gemacht in kaum einem Jahre, beim Schneider werden Sachen für 1000 Mark bestellt, dann muß eine goldene Uhr für 400 Mark angeschafft werden, und es werden Dedikationen für über 100 Mark gemacht. Der Rosenstrauß muß besonders feine Rosen haben, die erst besorgt werden müssen, weil sie sonst kaum im Handel sind. Der Angeklagte verkehrte dann mit den teuersten Kokotten von Berlin in den Balllokalen und gibt dort in einer Nacht das Doppelte von dem aus, was eine Arbeiterfamilie in einem

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 269. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/273&oldid=- (Version vom 2.1.2023)