Seite:Friedlaender-Interessante Kriminal-Prozesse-Band 6 (1912).djvu/8

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6

„Geld wie Heu“. Ende Oktober 1908 beschloß das Kleeblatt, eine Tournee nach Magdeburg zu unternehmen. Am Sonntag, den 25. Oktober 1908, nachmittags gegen 5 Uhr, der Abend war bereits hereingedämmert, da flutete in der Hauptstraße Magdeburgs, am Breiten Weg, ein sehr zahlreiches, festlich gekleidetes Publikum. Unter der Menge befanden sich Knitelius und Nitter. Sie kamen aus einem Café und blieben vor der bereits geschlossenen Hirsch-Apotheke stehen. Diese Apotheke hatten sie sich zu Operationsfeld auserkoren. Ob sie die Absicht hatten, sich Betäubungsmittel anzueignen oder Geld zu rauben, ist nicht festgestellt. Der Umstand, daß die Apotheke geschlossen war, bildete für die Berliner Einbrecher keinen Hinderungsgrund. Im Gegenteil, in eine offenstehende Apotheke wären sie nicht eingedrungen, da das zu gefahrvoll gewesen wäre. Sie hatten den Grundsatz, nur in geschlossene Räume einzubrechen, da diese gewöhnlich menschenleer sind. Mit Hilfe ihrer Einbruchswerkzeuge war es ihnen ein leichtes, vom Hausflur aus in die Apotheke zu gelangen. Der Apothekenbesitzer, namens Rathge, ein unverheirateter Herr in mittleren Jahren, dem seine Schwester die Wirtschaft führte, wohnte im ersten Stock dicht über der Apotheke. Er war gerade vom Nachmittagsschlaf erwacht, da vernahm er ein starkes Geräusch, das zweifellos aus seiner Apotheke kam. Nichts Böses ahnend, eilte er im Schlafrock und Pantoffeln hinunter. Da er zwei elegant gekleidete junge Leute erblickte, glaubte er im ersten Augenblick, die Apotheke sei nicht vollständig geschlossen gewesen und die jungen Herren seien in harmloser Weise in die Apotheke eingetreten, um etwas zu kaufen. Er rief deshalb den Leuten einen freundlichen „Guten Abend“ zu. Aber sehr bald merkte er, daß er es mit Einbrechern zu tun habe. Er rief deshalb „Hilfe!“. In diesem Augenblick krachte ein Schuß. Apotheker Rathge brach blutüberströmt zusammen. Obwohl sogleich eine Anzahl Leute herbeigeeilt kamen, gelang es den beiden

Empfohlene Zitierweise:
Hugo Friedländer: Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung, Band 6. Hermann Barsdorf, Berlin 1912, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Friedlaender-Interessante_Kriminal-Prozesse-Band_6_(1912).djvu/8&oldid=- (Version vom 24.11.2022)