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Seite:Friedrich Bauer - Christliche Ethik auf lutherischer Grundlage.pdf/250

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getrennter Konfession würde ausreichen, Frieden zu schaffen. Was die Entstehung der Union anlangt, so hatte man sich in der evangelischen Kirche schon lange daran gewöhnt, kirchliche Weisungen von oben zu empfangen, und so ist es begreiflich, daß ein evangelischer Fürst wie Friedrich Wilhelm III. die Union (1817) einführen und damit ein Wirrsal anrichten konnte, unter dem wir jetzt noch schwer leiden. Es läßt sich nur aus der gänzlichen Knechtung der lutherischen Kirche unter die Obrigkeit begreifen, daß ein in Luthers Schriften so bewanderter Mann wie Friedrich Wilhelm III. das Recht zu haben glaubte, in innerkirchliche Fragen einzugreifen. Es macht einen bald schmerzlichen, bald lächerlichen Eindruck, wenn er sagt, er wolle Glauben und Lehre der Konfession nicht antasten, sondern nur das Kirchentrennende beseitigen. Dadurch wird das kirchliche Bekenntnis herabgewürdigt zu einer Privatmeinung, die aber auch nicht mehr Recht hat als die entgegengesetzte. Im öffentlichen Handeln darf weder die eine noch die andere sich ausschließlich geltend machen. Es war eine Zumutung „Ja“ und „Nein“ zu vereinigen, die Annahme eines Nonsens, die den bewußten Lutheranern zugemutet wurde. Die schwere Verfehlung, die der König durch Anwendung roher Gewalt begangen hat, kann man nur so entschuldigen, daß man sagt: der König wußte nicht, was er that. Die Wahrheit festhalten und sie als kirchentrennend festhalten ist ein Ding. –

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 Wir sagen aber auch nicht, daß andere, die diese Erkenntnis nicht besitzen, auch so handeln müßten wie wir, oder daß sie, im Fall der Unterlassung der Verdammnis anheimfallen; und hiemit stehen wir, durch die Geschichte belehrt, etwas anders als unsre Väter, die in der Bestreitung einer von ihnen erkannten Wahrheit böswillige Verleugnung und verdammliche Verstockung sahen. Die Abirrung von der Heilswahrheit ist keine verdammliche Sünde da, wo die Abirrung nicht erkannt und nicht wider besseres Wissen und Gewissen festgehalten wird. Dadurch unterscheiden wir uns von dem bornierten Konfessionalismus, der ja auch an der Lehre der eigenen Kirche lauter Licht und gar keinen Schatten sieht und an der bekenntnismäßigen Überlieferung so festhält, als wenn sie auch in ihrer menschlichen Form und Fassung Gottes Wort wäre. Auch das ist bornierter Konfessionalismus, wenn man die über den Konfessionen bestehende Gemeinschaft und Einheit nicht anerkennen will. Im Christen wird das Bewußtsein und das schmerzliche Gefühl nie darüber ersterben, daß sich die eine Gemeinde Jesu so zersplittert hat und in ihrer äußern Erscheinung