Seite:George Sand Indiana.djvu/135

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um Vögel und Insekten zu fangen, der hätte nimmer geglaubt, daß dies nur die Maske war, hinter welcher er seine schwermütigen Träumereien verbarg.

Diese kegelförmige Insel ist vielfach gespalten und enthält tiefe Schluchten, in denen die Flüsse ihre klaren, schäumenden Wasser dahinrollen. Eine dieser Schluchten heißt Bernica. Es ist ein schmales, tiefes Tal, von zwei senkrechten Felswänden eingeschlossen, deren Oberfläche hie und da mit Felsgestrüpp und Heidekraut bewachsen ist.

Ein Bach rieselt in der Rinne, welche die beiden Felswände bei ihrem Zusammentreffen bilden, und da, wo das Geleise aufhört, stürzt er sich in eine furchtbare Tiefe herab und bildet unten einen kleinen See, umgeben von Schilfrohr und stets von feuchtem Nebel umhüllt. An seinen Ufern und am Rande einer Wasserrinne, welche durch das Überströmen des Beckens entstanden ist, wachsen Bananen- und Orangenbäume, deren dunkles Grün das Innere der Schlucht schmückt. Das war Ralphs Lieblingsaufenthalt. Hier vergoß er ungesehene Tränen, wenn die so lange verborgenen grausamen Qualen der Verkennung ihm unerträglich wurden. Hier hatte er sich schon in den Tagen seiner Jugend gegen die Ungerechtigkeit gestählt, die ihm von seiner Familie widerfuhr, hier hatte er Kraft gegen die Tücken seines Geschickes gesammelt und sich jene Ergebung in das Unabänderliche angeeignet, die ihm zur zweiten Natur geworden war. Hieher auch hatte er als Knabe die kleine Indiana getragen und sie auf das Gras des Ufers gelegt, während er in dem klaren Wasser angelte oder die Felswände zu ersteigen suchte, um Mövennester zu entdecken.

Diese Erinnerungen drängten sich jetzt in Ralphs Geist zusammen, aber sie hatten einen bitteren Beigeschmack, denn die Zeiten hatten sich sehr geändert und das kleine Mädchen, das seine Gefährtin gewesen war, hatte aufgehört, seine Freundin zu sein, oder war es wenigstens nicht mehr, wie sonst, in der ganzen Fülle ihres Herzens. Zwischen beide hatte sich ein Etwas,

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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 135. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/135&oldid=- (Version vom 1.8.2018)