Seite:George Sand Indiana.djvu/136

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eine Erinnerung geschlichen, um die sich alle Regungen ihres Gemütes bewegten, und Ralph fühlte, daß er diesen Punkt nie wieder antasten dürfe.

Er schwieg also und vermied Indiana sogar. Obgleich unter demselben Dache lebend, sah er sie fast nur zu den Zeiten der gemeinsamen Mahlzeit. Dennoch wachte er über sie gleich einer unsichtbaren Vorsehung. Des Abends, wenn sie ausgegangen war, wartete er auf sie am Fuße der Felsen, auf denen sie gewöhnlich zu sitzen pflegte. Hier blieb er ganze Stunden, sah zuweilen durch die vom Mond beleuchteten Zweige zu ihr auf und wagte nicht, sie in ihren Träumereien zu stören. Wenn sie in das Tal hinabstieg, bot er ihr seinen Arm und führte sie nach Hause zurück, ohne ein Wort an sie zu richten, wenn sie nicht selbst ein Gespräch begann. Nachdem er ihr Gutenacht gewünscht, zog er sich in sein Zimmer zurück. Er wachte unablässig über Indianas Ruhe und wußte sie zu schützen, wenn ihr Gatte, dessen Handelsgeschäfte nicht nach Wunsch gingen, seine üble Laune an ihr auslassen wollte. Durch die dünnen Wände des leicht gebauten Hauses vernahm Ralph jedes zornige Wort des Obersten. Dann wußte er sich, ohne seine eigentliche Absicht merken zu lassen, zwischen Indiana und ihren Gatten zu stellen, und der alte Herr besaß hinreichendes Ehrgefühl, um sich vor diesem Zeugen, dessen Wachsamkeit nie schlummerte, im Zaume zu halten.


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George Sand: Indiana. Karl Prochaska, Leipzig [u.a.] [1904], Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:George_Sand_Indiana.djvu/136&oldid=- (Version vom 1.8.2018)