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einige Jahr lang ein tiefes Stillschweigen beobachten, sie mußten ihren Lehrmeister nur bewundern, und das glauben, was er sagte, ohne ihm zu widersprechen. Heutiges Tages machen es die Anbether einer Schönen eben so, sie reden, wenn ihr Herz schon in der vollen Flamme stehet, noch nicht ein Wort von der Liebe, oder thun dieses doch weder mündlich noch schriftlich, sondern bedienen sich blos der Sprache der Augen, die ziemlich zweideutig ist, und so vielerlei Auslegungen verstattet, als die Gesetze des Justinians. Dieses Stillschweigen dauret so lange, bis sie der Gunst ihrer Gebieterin ganz gewiß versichert sind, alsdenn erklären sie sich etwas deutlicher, sie bedienen sich einer Sprache, die nicht aus Worten bestehet, die aber gleichwohl die deutlichste, nachdrücklichste und beliebteste Sprache ist, die gefunden wird, das sind die Geschenke. Ist die Schöne geneigt, den Antrag ihres Verehrers anzuhören, so nimmt sie solche an, sie macht ihm auch wohl ein Gegenkompliment mit einem kleinen Geschenke, zum Exempel für einen Diamantschmuck schenkt sie einen Blumenstrauß, der an ihren Busen halb verwelkt ist, für eine andere Galanterie, als Ohrengehänge, Dosen, Sonnenfächer, Lavendelfläschgen und dergl. giebt sie zur Wiedervergeltung ein Bandschleifgen,

Empfohlene Zitierweise:
Johann Karl August Musäus: Grandison der Zweite, Oder Geschichte des Herrn v. N *** in Briefen entworfen. Band 3. Michael Gottlieb Griesbach, Eisenach 1762, Seite 306. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grandison_der_Zweite_3.pdf/308&oldid=- (Version vom 1.8.2018)