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Bjoern sich zum Anführer aufwarf, und das mit der ihm eigenen Prahlerei.

Das Suchen hatte Erfolg. Die Gegend war überaus felsig. Fast senkrecht stürzten sich von dem Hochplateau die steinernen Wände in den Fjord hinab. In einer dieser Felswände war eine Höhle, deren Oeffnung dem Meere sich zukehrte.

Dort hauste der Bär.

Aber der Zugang war überaus schwierig. Ein schmaler Steg führte zwischen Klippen hinab. Vor der Höhle war nur ein kleiner Vorplatz zum Eintritt in dieselbe und zwar ohne alle Brustwehr. Ungeschützt senkte sich der Absturz ins Meer, welches in beträchtlicher Tiefe um die scharfen Klippen brandete.

Wer hier hinabstürzte, war unrettbar ein Kind des Todes.

Der Bär wohnte in diesem schier unzugänglichen Felsenneste. Ueber Tag hielt er sich still, aber des Nachts brach er aus. Keine Hürde war stark genug, die Schafe vor ihm zu schützen. Und kein Hirte wagte es, dem Raubtier sich entgegen zu werfen.

Bjoern kehrte mit seinen Gesellen von der glücklichen Suche zurück. Der Schlupfwinkel war aufgefunden.

„Sei froh!“ sagte er zu Thorkel, „das Nest des Bären haben wir! Damit ist die Hauptsache gethan!“ Und nun beschrieb er mit vielen Worten die Felsenhöhle und deren gefährlichen Zugang.

„Gut!“ sagte Thorkel, „wir wissen nun, wo der Feind steckt. Aber wer wird ihn überwinden?“

„Überwinden! Das nehme ich auf mich!“ prahlte Bjoern. „Paßt auf, wie dieses Spiel zwischen mir und meinem Namensvetter enden wird!“

Bjoern heißt nämlich im Norwegischen der Bär[1].

Gretter war bisher bei alledem ein stummer Zeuge gewesen und that auch jetzt, als wenn er von Bjoerns Prahlereien nichts hörte.

In der nächsten Zeit schlich sich Bjoern des Nachts, wenn alles im Hause schlief, wiederholt hinaus und blieb geraume Zeit fort. Die Kameraden merkten es, zischelten darüber und beschlossen, ihm aufzupassen.

Seine nächtlichen Besuche, das kam heraus, galten dem Bärenlager, aber immer kehrte Bjoern unverrichteter Sache zurück.

Eines Nachts wiederholte er diesen Gang. Er hatte seinen großen Schild mitgenommen. Bjoern erreichte den schmalen Pfad, der von der Hochfläche abwärts zu dem Bärenlager führte. Er horchte und aus der
Anmerkungen (Wikisource)

  1. norw. bjørn bzw. isl. björn


Empfohlene Zitierweise:
Dagobert Schoenfeld: Gretter der Starke. Schuster & Loeffler, Berlin 1896, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gretter_der_Starke.pdf/63&oldid=- (Version vom 1.8.2018)