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aber die Burgwarde als selbständige Rechtsgemeinden, so ist in ihnen auch ursprünglich nach sorbischem Recht gerichtet worden. Von einem eigentümlichen slawischen Recht sind uns mehrfach Nachrichten überliefert[1]; auch in Nisan muß ein solches bestanden haben. Dieses eigenartige slawische Recht ging unter. Sehr rasch nahm das deutsche Recht aus Gründen, welche in allen slawischen Landschaften wirksam waren, Einfluß auf die sorbischen Verhältnisse. So wenig das deutsche Recht im 14. und 15. Jahrhundert dem Eindringen des römischen Rechts Widerstand leisten konnte, so überlegen erwies es sich vorher dem slawischen gegenüber. Palacky gibt in seiner Geschichte von Böhmen einen Grund für die Eile an, mit welcher das heimische Recht in diesem Lande bereits im 11. Jahrhundert zu Gunsten des deutschen aufgegeben wurde. Das slawische Recht kannte für Frevel, welche innerhalb eines bestimmten Bezirks verübt wurden, die Gemeinbürgschaft. „Sämtliche Einwohner eines jeden kleinen Bezirks (okolina, vicinia) hafteten solidarisch für alle Verbrechen, welche innerhalb dieses Bezirks verübt wurden ... war auch diese Solidarität ein wirksames Mittel, Zucht und Ordnung zu erhalten, so lastete sie doch schwer auf dem einzelnen und erklärt um so mehr die Hast, mit welcher man in Böhmen wie in Polen allenthalben die deutsche Kommunalverfassung, die von einer Gesamtbürgschaft nichts wissen wollte, bei sich einzuführen beflissen war“[2].

Ähnlich wie in Böhmen müssen sich die Dinge in Nisan entwickelt haben. Daß hier die deutsche Herrschaft noch dazu beitrug, die Rechtsverhältnisse den deutschen anzugleichen, bedarf keiner Auseinandersetzung, von Haus aus aber, daran ist nicht zu zweifeln, war die Burgwardverfassung mit der Handhabung eines besonderen sorbischen Rechts verbunden, eines Rechtes, das auch die niedere sorbische Bevölkerung betraf. In der späteren geschichtlichen Zeit war die Handhabung des Rechts für diese Bevölkerung der Pflege


  1. Jireček, Das Recht in Böhmen und Mähren, I, Vorwort, und I, 1, S. 2. Es ist hier 849 von den Gesetzen und besonderen Gewohnheiten des slawischen Volkes die Rede.
  2. Palacky, 2. Band, 1. Abteilung (1839), S. 40.– über die vicinia oder opole in Schlesien vgl. Knüll, Die Burgwarde, S. 49. – Zur Gesamtbürgschaft vgl. Mitteil. des Vereins f. Gesch. der Deutschen in Böhmen, 1911, S. 176.