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schönes Verhältnis bestand in dieser Hinsicht zwischen Reissiger und Raff. Die Briefe zwischen dem Älteren und Jüngeren[1] sind amüsant zu lesen. Raff schickte an Reissiger seine Werke zur Durchsicht. In der Antwort Reissigers an Raff ist die Anrede erst noch: „Geehrter werter Freund! Die Durchsicht Ihrer zwei Akte[2] hat mir aufrichtiges Vergnügen gemacht, weil ich fand, daß ich es mit einem Manne zu tun hatte, der nichts unüberlegt und in den Wind hinein schreibt, sondern mit kühnem Griffel Charaktere zeichnet, das mannigfachste Kolorit zu geben imstande ist und, wenn auch den Ausführenden große Schwierigkeiten darbietend, mit strenger Konsequenz verfährt.“ Reissiger gibt nun aus seiner Erfahrung wertvolle Winke über Instrumentierung, Stimmführung usw., wobei auch seinem Klangsinn Ehre machende Bemerkungen über Natur- und Ventilinstrumente fallen. Dies alles geschieht in freundlichstem, ermutigendem Tone. Raff befolgte die Ratschläge, worauf ihn dann Reissiger „mein lieber, tüchtiger, folgsamer Freund“ anredet. Endlich bezeichnet sich Raff als Sohn. Darauf antwortet Reissiger in allerherzlichstem Tone und bezeichnet sich selbst als „Papa Reissiger“. „Sein Brief an den alten, lieben Papa hat höchlichst amüsiert. Papa hat recht wohl gewußt, daß Er in Weimar seit geraumer Zeit scharmutziert und bald zu operieren gedenkt, und nimmt überhaupt an seiner Karriere den lebhaftesten Anteil.“ Reissiger verspricht dann zur Aufführung der Oper Raffs nach Weimar zu kommen, „aber nicht aus Neugierde, sondern aus warmem Anteil“.

Dasselbe Interesse brachte Reissiger auch Clara Schumann, die theoretischen Unterricht bei ihm nahm[3], ferner Edmund Kretzschmer, dem Komponisten der „Folkunger“, dem bekannten Orgelkomponisten und Dresdner Hoforganisten Gustav Merkel entgegen, ebenso dem englischen Komponisten Henry Hugh Pearson (Komponist des Liedes: O Deutschland hoch in Ehren), sowie Prinz Heinrich IV. von Reuß/Köstritz und dem bekannten regierenden, dabei Opern schreibenden Herzog Ernst II. von Koburg. Letzterer verlebte mehrere Jugendjahre (1838 – 42) in Dresden und hat zu Reissiger ein sehr herzliches Verhältnis gepflegt[4].

Von den übrigen Schülern nennen wir noch den namentlich in Amerika sehr bekannt gewesenen Theodor Eisfeld (1816 – 82, Dirigent der Neuyorker Philharmonischen Gesellschaft), den Zwickauer Musikdirektor Gast, welcher, wie uns sein Sohn, Herr Pfarrer Gast in Großzschocher, freundlichst mitteilte, „ein begeisterter Verehrer seines alten Lehrers Reissiger“ war und dies „den Seinen sehr oft versicherte“, ferner den berühmten ersten Sänger des Tristan Ludwig Schnorr v. Carolsfeld[5], und den Sohn Ludwig Richters, Heinrich Richter. Auch redigierte Reissiger die Kompositionen der Prinzessin Amalie von Sachsen.

Reissiger war allenthalben als Autorität angesehen, und wer ein empfehlendes Zeugnis von Reissiger erlangen konnte, dem öffneten sich manche


  1. In der Hof- und Staatsbibliothek München (Raffiana).
  2. Die Oper: „König Alfred“ von Raff wurde 1851 in Weimar von Liszt aufgeführt.
  3. Die ersten Kompositionen der Cl. Schumann tragen R.s Gepräge.
  4. Briefe des Herzogs im Besitze des Herrn Bürgermeister R. (Vgl. auch Ohorn, A. Ernst II, von Koburg. Leipzig 1894.)
  5. Vgl. Anmerkung 2 auf Seite 74.