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sonst schwer zu betretende Wege. Wir finden im „Dresdner Anzeiger“ öfters bei Virtuosen-Ankündigungen den Zusatz, daß der Kgl. Kapellmeister Reissiger sich von den Fähigkeiten überzeugt und die Berufung auf ihn gestattet habe. Auch ein Fr. Wieck hielt es für gut, mit Clara bei Reissiger vorzusprechen, um sein Urteil zu erfahren. Wieck schreibt an seine Frau[1]: „Gestern nachmittag waren wir bei Reissiger, wo sie sich selbst im Spielen übertroffen hat. Reissiger spielte nachher selbst auch, meinte aber, vor Clara zu spielen, müsse man ja ängstlich werden. Er gab ihr auch ein Thema auf, worüber sie fantasieren mußte, auch spielte er mit ihr vom Blatt. Er staunte so über ihre musikalische Bildung, daß er meinte, man müsse es hören, um es zu glauben.“ Clara war damals zehn Jahre alt. Ferner ist in dem bisher unveröffentlichten „Lebensbuch“[2] Rob. Schumanns eine Notiz enthalten, nach welcher Schumann sich bei Reissiger ein Urteil über seine musikalischen Fähigkeiten erbat, ehe er ganz zum Musikstudium überging.

Mit Reissigers Lehrtätigkeit hängen einige kleinere und größere Aufsätze, die er veröffentlichte, zusammen. So eine günstige Beurteilung der damals (dreißiger Jahre) neuen Methode, mehrere Schüler in einer Stunde zusammen zu unterrichten, welche das Schindelmeissersche Institut in Berlin einführte (Konservatoriumsmethode). Ferner gehören hierher seine großen, für die preußische Regierung ausgearbeiteten Studienpläne und seine Mitarbeit an dem noch heute beachtlichen Buche Gassners: „Dirigent und Ripienist“ 1844. Andere schriftstellerische Arbeiten sind, außer gelegentlichen kritischen Berichten für die A. M. Z., die Aufsätze über die Natur- und Ventilhörner[3] und Trompeten. Interessant ist dann noch ein Aufsatz über Heinrich Schütz, seine Werke und seine Zeit. Dieser Aufsatz zeigt insbesondere Reissigers großes musikhistorisches Interesse[4] und ist in einer edlen, gehobenen Sprache geschrieben. Besonderen Dank stattet er K. v. Winterfeld (vergl. Anm. S. 46), der ihm durch sein ausgezeichnetes und belehrendes Werk: „Joh. Gabrieli und sein Zeitalter“ die große Meinung und wahrhafte Verehrung für Schütz, „den Vater der deutschen Musik“ erweckt hat. Die Glanzzeiten des Dresdner Kgl. Orchesters aber, die Reissiger schildert, werden ihm selbst natürlich nur ein Ansporn gewesen sein, auch unter seiner Leitung eine solche Periode zu zeugen, und es ist ihm auch tatsächlich gelungen.


Kapitel 8.
Einige Urteile Reissigers über berühmte Zeitgenossen und Werke.

Als Schlußkapitel seien noch einige Urteile veröffentlicht, die Reissiger über berühmte Zeitgenossen und Werke gelegentlich gefällt[5] hat. schon im vierten Kapitel über französische und italienische Musikverhältnisse handelnden Urteile sind hier nicht noch einmal berücksichtigt.


  1. Marie Wieck. Aus dem Kreise Wieck-Schumann. Dresden 1912.
  2. Im Schumann-Museum zu Zwickau.
  3. A. M. Z. 1832 S. 673 und 1837 S. 608.
  4. Er machte Studien in den Kgl. Familienarchiven, wobei er sich sogar um die Auffindung des Schützschen Daphnetextes bemüht zu haben scheint.
  5. Unveröffentlichte Manuskripte in der Kgl. Bibliothek Berlin, Bibliothek der Gesellschaft der Musikfreunde. Wien, im Wagner-Museum, Eisenach und im Besitze des Herrn Bürgermeister R.