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seiner vermittelnden Tätigkeit sowohl bewußt durch kluge Gestaltung des Spielplanes, als unbewußt durch seinen Charakter die Italiener einkreiste und Hof und Publikum für die deutsche Sache gewann. Das konnte man jetzt bei seiner Verpflichtung zum Musikdirektor noch nicht ahnen. Er hatte ja eine italienische Oper geschrieben, und man konnte in ihm, dem Deutschen, zugleich eine Stütze auch für die Italiener mit sehen. Zur Überbrückung der Gegensätze mußte ein Mann wie Reissiger jetzt nach Dresden kommen. Webers und Marschners Verdienste um die inneren Werte einer deutschen Oper voll anerkennend, müssen wir doch sagen, daß sie rein äußerlich die deutsche Oper in Dresden bei den maßgebenden Personen nicht so zu fördern vermochten, wie es nötig war. An Weber konnte bei aller Feinfühligkeit ein gewisser revolutionärer Zug, wie er allen Neuerern eigen ist, von einem strengen Hofe nicht unbemerkt bleiben, und Marschner war in seinem Wesen manchmal grob und unverträglich, was selbst Weber störte. Im Gegensatz dazu war Morlacchi, der Leiter der italienischen Oper, wie es in den zitierten „Erinnerungen“" heißt, „bei Hofe sehr beliebt und wegen seines feinen Tones im geselligen Leben allgemein geschätzt“. Gegen ihn standen die beiden Deutschen bei Hofe etwas zurück. Jetzt kam nun Reissiger, ein weltmännisch gebildeter, liebenswürdiger, in allen Formen gewandter, junger Kapellmeister. Man unterschätze nicht, was für ein junges Unternehmen allein schon das Wesen des Leiters bedeutet, und dazu kamen noch Reissigers musikalische Qualitäten.

Immerhin hatte Reissiger bei seinem Antritt in Dresden nicht allzu leichten Stand. Daß die italienische Partei ihn von der Seite ansah, war natürlich. Daß man ferner den Nachfolger eines Weber mit ziemlich gespannten Erwartungen kommen sah, ist ebenso verständlich, da letzterer zwar nicht beim Hofe, so doch beim Volke schon allein durch den „Freischütz“ als einziger Deutscher einen großen Namen hatte. Gaßner schreibt in seinem Universallexikon der Tonkunst 1849 (Artikel Reissiger), die Lage schlaglichtartig beleuchtend: „Von dem ersten Augenblicke seiner Wirksamkeit in Dresden an war Reissiger in eine unaufhörliche Kette von Reibungen verflochten mit einer Partei, die in ähnlicher Richtung ihr Wesen getrieben hat schon so lange, als eine italienische Oper zu Dresden bestand, und der auch C. M. v. Weber so manche trübe Stunde verdankte. Dann konnte es bei dem frischen Andenken, in welchem C. M. v. Weber besonders in Dresden noch lebt, kaum wohl vermieden werden, in eine Komparation ihn zu stellen, welche die Anforderungen an sein Talent und Geschick schon im voraus bis zu einem ungleich hohen Grade hinaufschraubte.“

Reissiger, der bisher ein ziemlich ungebundenes Künstlerleben führen durfte, stürzte sich nun mit dem alten, trotz aller Freiheit stets geübten Fleisse in die Fesseln des „so beschwerlichen als instruktiven Amtes“" eines Theatermusikdirektors, wie C. B. v. Miltitz, den wir noch mehr zu erwähnen haben, es einmal nannte.

Zunächst mußte Reissiger seine Kräfte fast ganz den Italienern widmen, denn Morlacchis frühere Kränklichkeit trat wieder auf, und Reissiger leitete für ihn die italienische Oper neben der deutschen. Also erfuhr er gleich am Anfang eine große Arbeitsüberlastung. Aber willig nahm er alles auf sich und gewann sich durch die Art seiner Amtsführung allgemeine Beliebtheit