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des Hauptmanns. Es heißt dort: „Übrigens hat die 15. Komp. die Ehre, Herrn Kapellmeister Morlacchi beinahe vier Jahre in ihren Reihen zu haben, ohne daß ich ein einziges Mal denselben zum Nachexerzieren habe kommandieren dürfen, da derselbe stets nach Möglichkeit seinen Dienst zu leisten gesucht hat.“ Hierauf erwidert Reissiger: „Daß Sie Herrn Kapellmeister Morlacchi nie Ursache hatten, zum Nachexerzieren zu kommandieren, glaube ich gern. Derselbe hat aber kaum den dritten Teil von dem Dienste, den ich zu leisten habe, indem des Jahres kaum 20 italienische Vorstellungen, deutsche Opern aber auf 90 und mehr kommen.“ (1835.)

Wir kommen nunmehr zur Besprechung des Konzertlebens in Dresden zur Zeit Reissigers, wobei auch die außerhöfische Musikpflege, welche bisher nirgends behandelt wurde, bedacht werden soll. Das deutsche Konzertwesen macht am Beginn des 19. Jahrhunderts eine große Wandlung durch, deren Wesenskern man darin erblicken kann, daß man von einer intimen Musikpflege (höfischen oder gesellschaftlichen) allmählich zu einem auf breiterer Grundlage stehenden öffentlichen Konzertleben übergeht. Durch Gründung einer Unzahl von Musikvereinen (Singakademien, Männergesangvereinen, Instrumentalvereinigungen) wurden Verständnis und Begeisterung für die klassische Literatur in größere Kreise getragen. Den größten Erfolg hatten diese Bestrebungen in den schon erwähnten Musikfesten zu verzeichnen, auf denen sich viele kleine Vereine zu größeren Komplexen und Wirkungen vereinigten.

Reissiger war nun schon während seiner Leipziger Studienzeit in ein reiches, in dieser Weise geartetes Musikleben gekommen, wo er ja sogar zeitweilig die Gewandhauskonzerte dirigierte. Namentlich war von Leipzig eine systematische Beethovenpflege ausgegangen. Wir brauchen uns daher nicht zu wundern, wenn Reissiger in seinem Dresdner Wirkungskreise nun auch dem Konzertleben sein Interesse zuwendete. Es standen ihm in seinem Hoforchester und den Künstlern der Oper ja auch die trefflichsten Hilfstruppen zu Gebote. Zunächst gab es allerdings noch kein sogenanntes „stehendes Konzert“ (eine Konzertreihe mit Abonnenten). Weber hatte einst einen vergeblichen Versuch gemacht, diese Einrichtung einzuführen. Wenn wir aber in den Anzeigen und Berichten nachschlagen, so finden wir, daß im Winter die königliche Kapelle durchschnittlich alle vierzehn Tage ein öffentliches Konzert („musikalische Akademie“ genannt) gab, also die Zahl fast die gleiche war wie heute. Den Anlaß zum Konzert bot gewöhnlich einer der berühmten Dresdner oder auswärtigen Virtuosen, welche alle damals schon, genau wie heute, Dresden besuchten: Paganini, Hummel, Moscheles, Kalkbrenner, F. Ries, Klara Wieck und wie sie alle heißen. Von den Virtuosen des Dresdner Orchesters durfte jeder jährlich ein Benefizkonzert veranstalten[1]. Deren Vortragsnummern hatte die kgl. Kapelle erstens zu begleiten, dann aber auch durch eigene Nummern zu ergänzen. Außerdem war immer noch ein Duo oder Trio von Opernsängern beteiligt. Das Orchester trug außer der Ouvertüre, wobei gleich hier bemerkt sei, daß Reissiger gern die Weberschen bevorzugte, noch eine Sinfonie oder einen Sinfoniesatz vor. Die Konzerte waren infolge der Vielseitigkeit der Programme


  1. Vgl. Heger, Vor 50 Jahren, Dresden 1894.