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eigentlich keine reinen Sinfoniekonzerte, sondern wir würden sie heute vielleicht „Philharmonische Konzerte“ nennen. Interessant ist, daß man damals noch häufig Bläservirtuosen begegnete. Klarinetten-, Flöten- und sogar Fagottkonzerte sind nichts Seltenes. Klavier- und Violinvirtuosen tragen nur Konzertsachen vor; Sonaten und andere Kammerwerke sind jetzt noch ausschließlich in den Aristokratensalons zu hören, welche ja nebenher immer noch Stätten der Kunst geblieben waren. In den zwanziger Jahren finden wir in Dresden selbst die Konzertmusik im Banne der Italiener, bis nach und nach deutsche Programme erscheinen. Hier hat vor allem Reissiger mit seiner Beethovenpflege vorbildlich gewirkt. 1835 lesen wir in der N. Z. f. M. (Seite 148): „Die Kapelle, früher an den Vortrag großer, selbständiger Instrumentalsätze nicht gewöhnt, trägt jetzt die genialen Werke Beethovens mit großer Energie vor.“ Wir erinnern auch an die schon früher erwähnte Aufführung der C-Moll-Sinfonie unter Reissiger. Die anderen Kapellen in Dresden, worüber wir gleich sprechen werden, ahmten Reissigers Beethovenpflege nach. Die Beethovenverehrung fand schönsten Ausdruck in einem von Reissiger geleiteten Konzert zum Besten eines Beethovendenkmals in Bonn, worüber man in der A. M. Z. (1839, S. 777) liest: „Indes trug auch die Kapelle sehr viel dazu bei, daß der kühne Geist Beethovens in dem Maße verstanden wurde, wie er verstanden sein will; nur solches kräftiges Ineinandergreifen, solche exakte Ausführungen vermögen es, den nach allen erdenklichen Richtungen ausgesponnenen Gedanken so vollständig und präzis wiederzugeben, wie es der Geist der Komposition durchaus fordert. Diese eigentümliche geistige Belebung des Orchesters hängt aber hauptsächlich von dem Dirigenten ab, der gewissermaßen die Seele desselben zu nennen ist, und hier müssen wir vor allem dem sehr verdienstvollen Kapellmeister Reissiger unseren aufrichtigen Dank zollen; er zeigte uns jene beiden Tongemälde, die Sinfonia eroica und die Ouvertüre in C, mit feinen Schattierungen in ihrer Großartigkeit so klar und deutlich, daß auch nicht das Mindeste verloren ging.“

Die Virtuosen, welche nach Dresden kamen, gaben gewöhnlich zwei oder drei Konzerte gleich hintereinander, und zwar zuerst ein Privatkonzert vor dem Hofe in Dresden oder Pillnitz, ein zweites im Hoftheater während der Zwischenakte – eine Einrichtung, die uns heute verloren gegangen ist[1] – und endlich ein drittes in der erwähnten Art mit dem Hoforchester in einem Konzertsaale[2]. Es kam auch vor, daß ein Virtuos in einer Familie ein Privatkonzert gab.

Die ersten Konzerte hatte Reissiger anzuordnen. Bekanntlich hatten die Wettiner immer eins oder mehrere Glieder, welche musikalisch interessiert waren. Prinzessin Amalie und König Anton haben ja sogar selbst komponiert. König Friedrich August I., der Bruder Antons, soll trotz


  1. Hanslick in seiner Geschichte des Konzertwesens in Wien, S. 30 ff., Spohr (Selbstbiographie I, 49) bringen Beispiele, daß anderswo abgewiesene Künstler als Zufluchtsstätten den Zwischenakt im Theater benutzten, um sich hören zu lassen. Das kann aber nicht die Regel gewesen sein, denn auch die größten Künstler (Klara Wieck, Vieuxtemps) traten im Zwischenakt auf.
  2. Meist in dem 400 Personen fassenden Saale des Hotels de Pologne (heutige Sächsische Bank, Schloßstraße). Andere Säle waren der der Gesellschaft Harmonie und der des Hotels de Saxe.