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seiner Vorliebe für die Italiener auch Bach und Zelenka immer auf dem Flügel liegen gehabt haben. Reissiger hat oft mit der königlichen Familie musiziert.

Außer den Konzerten, in welchen die kgl. Kapelle zur Mitwirkung herangezogen wurde, veranstaltete sie selbständig jährlich mehrere Wohltätigkeitskonzerte, die sogenannten „Armenkonzerte“ und das seit 1826 bestehende Palmsonntagskonzert. Die Armenkonzerte gab es ja auch anderswo, z. B. in Leipzig, wo das Gewandhausorchester jährlich mehrere veranstaltete. Bei Gelegenheit dieser Konzerte kamen immer größere Werke zur Aufführung so daß man sie auch als Musikfeste bezeichnete. Die Dreyßigsche Singakademie, die Singakademie des Frauenkirchenorganisten Ehlich und die des Kantors Mühle, der Kreuzchor Julius Ottos, der Seminarchor[1], ferner das Stadtmusikkorps Zillmann ergänzten das königliche Orchester und den Opernchor, so daß man wirklich eine stattliche Zahl von Mitwirkenden zur Verfügung hatte. Die Liste einer Reihe von Palmsonntagskonzerten zur Zeit Reissigers, welche unten[2] nach dem Verzeichnis, welches v. Brescius in seiner Festschrift zum 350 jährigen Jubiläum der Kgl. Kapelle (Dresden 1898) zusammengestellt wurde, gibt ein erfreuliches Bild musikalischer Kultur. Das Armenkonzert im Sommer fand immer im Palais des Kgl. Großen Gartens statt, während die Winterkonzerte im Saale des alten Opernhauses abgehalten wurden. Eins der Winterkonzerte fand immer zur Fastnachtszeit statt, woraus dann 1850 das heute noch bestehende Aschermittwochskonzert wurde.

In einem dieser Armenkonzerte (27. August 1838) erklang im Palais des Großen Gartens zum ersten Male für Dresden Beethovens Neunte unter Reissigers Leitung. Im November desselben Jahres wurde dann die Sinfonie im Hoftheater wiederholt.


  1. Über Dresdner Chorverhältnisse vgl. Schmid, Geschichte der Dreyßigschen Singakademie (Dresden 1907).
  2. Es wurden die Werke, welche in den ersten 20 Jahren (1826 – 1846) zur Aufführung kamen, zusammengestellt. Von 1846 an erscheint, seit der Aufführung der 9. Sinfonie Beethovens unter Richard Wagner, dieses Werk in den meisten Palmsonntags - Konzerten, bis es überhaupt zum „stehenden“ Werke bis heute wurde. „Das Weltgericht“, Oratorium von F. Schneider; „Messe D-Dur“ von Cherubini, Schlußchor aus dem Oratorium: „Die Pilger“ von Naumann; „Matthäus-Passion“ von J. S. Bach (Leitung: Morlacchi); „Messias“, „Jephta“, „Samson“, „Judas Maccabäus“ von Händel; „Tod Jesu“ von Graun; „Requiem“ von Mozart; „Christus am Ölberg“ von Beethoven; „Büßender David“ von Mozart, aus „Isaac“ von Morlacchi; „Lobgesang“ von Mendelssohn; „Paulus“ von Mendelssohn, aus: „Jahreszeiten“ von Haydn; „Schöpfung“ von Haydn; „Elias“ von Mendelssohn; „Stabat mater“ von Pergoles. Sinfonie C-Moll, A-Dur, F-Dur (6. und 8.), Es-Dur, B-Dur, D-Dur von Beethoven; Ouvertüre C-Dur; Ouvertüre: „Weihe des Hauses“ von Beethoven; „Jupiter“, Sinfonie von Mozart. NB. Auffallend ist die mehrmalige Aufführung der Bachschen „Matthäus-Passion“ unter Leitung von Morlacchi, des Italieners (neben Reissiger, welcher sie auch leitete). Ein schönes Zeugnis für ihn, daß er als Dirigent sich auch in die Tiefen deutscher Kunst versenkte, wo er doch als Komponist eine spätneapolitanische Richtung vertrat (Schüler Zingarellis und Matteis). Wir ergänzen sein biographisches Bild durch die Mitteilung, daß er 1837 in die engere Wahl für den Kapellmeisterposten an der Peterskirche in Rom kam. In Dresden hat er sich selbst ein Denkmal geschaffen durch Gründung des Orchester-Pensionsfonds. Einer seiner deutschen Schüler war Moritz Hauptmann.