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Donnerstag, 26. Juli.

Immer noch treibt sich die Nachricht über einen Sieg bei Groß-Gänserndorf herum[1]. Ein Brief von Franz vom 22. weiß davon kein Wort. Gute Bemerkung: Die Potentaten: der Sachse, Hannoveraner, Rheinhesse und Nassauer sind jetzt in Schönbrunn – ein wahres Pfründnerhaus.

Meine jetzige Einquartierung frißt ganz kannibalisch.


Freitag, 27. Juli.

Brief von Oskar läuft ein, er will die 14tägige Evakuationsfrist nur ironisch gestellt haben.

Dresden scheint nicht allein durch die Verschanzungen, sondern auch durch die Einquartierung gezwiebelt werden zu sollen. 10 000 Mann ist ein halbes Armeekorps und für eine Garnison jedenfalls zu stark. Die Frage wegen der Parlamentswahlen wird wohl nächstens ebenfalls eine praktische Entscheidung finden. Unsre Zukunft erscheint nicht weniger als hoffnungsvoll. In Österreich fährt man fort, offiziell und geflissentlich den König von Sachsen als den treuesten Verbündeten zu nennen. Die Zukunft des Landes hat schon bei den nunmehr unterzeichneten Friedenspräliminarverhandlungen einen Hauptanstandspunkt gegeben. Sollte schließlich doch die Restitution der ernestinischen Linie in ernstere Frage kommen? Schon ist von einer Entschädigung der albertinischen durch Böhmen die Rede. Dabei würde sich denn gleich offenbaren, wie weit die österreichische Zärtlichkeit reicht.


Sonnabend, 28. Juli.

Die Landeskommission dementiert apokryphe Proklamation des Königs[2]. Nichts Neues in innerer Politik, in der äußeren indiziert sich


  1. Bei Groß-Gänserndorf auf dem Marchfelde bei Wien fand am 31. Juli die Parade der 1. preußischen Armee statt. Das letzte Gefecht mit der österreichischen Nordarmee vor dem Waffenstillstand war bei Blumenau an der Straße über die Kleinen Karpathen nach Preßburg.
  2. Die Proklamation lautete: „Meine treuen Sachsen! Haben auch unsere tapfern Truppen durch verräterische Hand in der Schlacht bei Königgrätz vor dem Feinde weichen müssen, so können wir doch auf unsere Söhne, Brüder etc., welche sehr tapfer dem Feinde gegenüberstanden, stolz sein. Glückselig fühle ich mich, Euch, meine braven Sachsen, sagen zu können, daß der Augenblick kommen wird, wo der Feind, nachdem er nach erwähnter Schlacht mehrere Male von uns besiegt worden ist, auch ferner geschlagen werden wird. Zwar haben wir von unsern braven Truppen über 2000 Verluste zu beklagen, doch sind diese Lücken bereits wieder ergänzt. Teilet daher Eure schwere Lage mit mir und unserm tapfern Heere, wie wir diese mit Euch tragen. Wenn Gott, der Allmächtige, unsere Waffen wie seit der Schlacht bei Königgrätz auch ferner segnet, so werde ich bald wieder an der Spitze unserer Kinder in unser geliebtes Vaterland einziehen.
    Es grüßt Euch herzlich Johann.

    Wien, am 19. Juli 1866“.

    Die Landeskommission gab hierzu am 29. im Journal folgende Erklärung: „Die Landeskommission hält sich, um falschen Auffassungen zuvorzukommen, für verpflichtet, darauf aufmerksam zu machen, daß die Proklamation nach Form und Inhalt so deutlich den Stempel der Unechtheit an sich trägt, daß sie unmöglich von S. Maj. dem König herrührt.“

Empfohlene Zitierweise:
Erwin Heyne (Hrsg.): Kriegstage in Dresden 1866 und 1870. i. A. des Verein für Geschichte Dresdens, Dresden 1933, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Heft31VereinGeschichteDresden1933.pdf/42&oldid=- (Version vom 6.5.2024)