Seite:Immanuel Kant Über Pädagogik Königsberg 1803.pdf/87

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erlaubt sey? Nein! es ist kein einziger Fall gedenkbar, in dem sie Entschuldigung verdiente, am wenigsten vor Kindern, die sonst jede Kleinigkeit für eine Noth ansehen, und sich öfters Lügen erlauben würden. Gäbe es nun ein solches Buch schon, so könnte man mit vielem Nutzen, täglich eine Stunde dazu aussen, die Kinder das Recht der Menschen, diesen Augapfel Gottes auf Erden, kennen, und zu Herzen nehmen zu lehren. –[1]

Was die Verbindlichkeit zum Wohlthun betrifft: so ist sie nur eine unvollkommene Verbindlichkeit. Man muß nicht sowohl das Herz der Kinder weich machen, daß es von dem Schicksale der Andern afficirt werde, als vielmehr, wacker. Es sey nicht voll Gefühl, sondern voll von der Idee der Pflicht. Viele Personen wurden in der That hartherzig, weil sie, da sie vorher mitleidig gewesen waren, sich oft betrogen sahen. Einem Kinde das Verdienstliche der Handlungen begreiflich machen zu wollen, ist umsonst. Geistliche fehlen sehr oft darin, daß sie die Werke des Wohlthuns als etwas Verdienstliches vorstellen[2]. Ohne daran zu denken, daß wir in Rücksicht auf Gott nie mehr, als


  1. Es fehlt uns nun nicht mehr an Catechismen der Rechte und Pflichten, und unter diesen sind manche sehr brauchbar. Auch wird in manchen Schulen würklich schon auf diesen nothwendigen Theil des Unterrichtes Rücksicht genommen. Aber es ist noch Vieles zu thun übrig, um Kant’s schöne Idee ganz zu realisiren.
              A. d. H.
  2. Und noch ärger machen sie diesen Fehler, wenn sie dieses, wie alles übrige sogenannte Verdienstliche, als einen Grund zu Ansprüchen auf Belohnung darstellen.
              A. d. H.