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so stürmten auch schon die Juden über dieselben dem Feinde entgegen, ehe noch ein einziger von den römischen Soldaten, die sie hinübergelegt, Zeit gefunden hatte, einen Tritt darauf zu machen. 268 In dem fürchterlichen Ringen, das nun mit den heraufstürmenden Römern entstand, legten die Jotapatener die herrlichsten Proben ab, die Kraft und Muth nur immer entfalten können, und wollten trotz ihrer äußersten Hilflosigkeit sich selbst von jenen nicht übertreffen lassen, deren tapferen Arm keine Angst um Heimat und Familie unsicher machte. 269 Entweder erlagen sie selbst oder sie erlegten den Feind: früher ließen sie nicht von ihm los! 270 Da aber die Juden bei dem unausgesetzten Widerstande endlich doch ermüdeten und für die Kämpfer an der Bresche keine Ablösung hatten, während bei den Römern die erschöpften Abtheilungen stets durch frische ersetzt wurden, und an die Stelle der Hinabgedrängten rasch andere hinaufklommen, so konnten zuletzt die Feinde, die sich gegenseitig anfeuerten und, Schulter an Schulter gedrängt, nach oben mit den Schilden ein Schutzdach herzustellen suchten, eine unzerreißbare Sturmsäule formieren, mit der sie dann in ihrer ganzen Tiefe, wie ein Mann, gegen die Juden einen entscheidenden Vorstoß machten und fast schon die Höhe der Mauer gewonnen hatten.

271 (28.) Da, in den Augenblicken höchster Gefahr, gab dem Josephus die Noth, welche ja so überaus erfinderisch macht, wenn sie von der Verzweiflung entflammt wird, einen rettenden Gedanken ein: er befahl, siedendes Oel auf das feindliche Schilddach hinabzugießen. 272 Da man dasselbe schon bereit gehalten hatte, so konnte es in aller Schnelligkeit und in großen Quantitäten von vielen Vertheidigern zugleich und von allen Seiten auf die Römer hinabgeschüttet werden, wobei man auch die glühend heißen Gefäße dem Oele noch nachschleuderte. 273 Das Oel löste nun endlich, indem es die Römer verbrühte, ihre Reihen gründlich, und sie wälzten sich unter grässlichen Schmerzen von der Mauer hinab. 274 Das Oel war nämlich im Nu unter der Rüstung vom Kopf bis zu den Füßen über den ganzen Körper hinuntergeronnen und hatte, da es sich seiner Natur nach rasch erhitzt, aber wegen seiner Fettigkeit nur langsam abkühlt, das Fleisch nicht anders, wie eine Feuersflamme, verzehrt. 275 Da zudem Panzer und Helm fest angeschnallt waren, konnten sie auch nicht schnell genug die feuerflüssige Masse entfernen: so sprangen sie denn vor lauter Qual in die Höhe und krümmten sich wieder zusammen, bis sie von der Ueberbrückung hinabstürzten, während die anderen, die sich noch schnell zu den ihrigen zurückgewendet hatten, von den eigenen Leuten im Sturme vorwärtsgestoßen und von den Juden im Rücken gefasst, schnell den Streichen der Feinde erlagen.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/266&oldid=- (Version vom 1.8.2018)