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Körper aber, welche sich nach der Mitte hin bewegen, scheint zu folgen, dass sie in der Mitte ruhen würden. Um so mehr wird also die ganze Erde in der Mitte ruhen, und, was sie auch alles für fallende Körper in sich aufnimmt, durch ihr Gewicht unbeweglich bleiben. Ebenso stützen sie sich auch bei ihren Beweisen auf den Grund der Bewegung und deren Natur. Aristoteles[1] sagt nämlich, dass die Bewegung eines einfachen Körpers einfach sei; von den einfachen Bewegungen sei aber die eine gradlinig, die andere kreisförmig; von der gradlinigen aber die eine aufwärts, die andere abwärts. Deshalb sei jede einfache Bewegung entweder nach der Mitte hin, nämlich abwärts, oder von der Mitte fort, nämlich aufwärts, oder um die Mitte herum, und diese wäre eben die kreisförmige. Nur der Erde und dem Wasser, welche für schwer gelten, kommt es zu, sich abwärts zu bewegen, d. h. nach der Mitte hin zu streben; der Luft aber und dem Feuer, welche mit Leichtigkeit begabt sind, aufwärts und von der Mitte fort sich zu bewegen. Es scheint klar, dass diesen vier Elementen die gradlinige Bewegung zugestanden werden muss; in Bezug auf die himmlischen Körper aber, dass sie sich um die Mitte im Kreise drehen. So Aristoteles. Wenn daher, sagt der Alexandriner Ptolemäus[2], die Erde sich drehete, wenigstens in täglicher Umdrehung: so müsste das Gegentheil von dem Obengesagten eintreten, es müsste nämlich die Bewegung, welche in vier und zwanzig Stunden den ganzen Umfang der Erde durchliefe, die heftigste und ihre Geschwindigkeit unübertreffbar sein. Was aber in jähe Drehung versetzt wird, scheint zu einer Zusammenhäufung durchaus nicht geeignet zu sein, vielmehr zerstreut zu werden, wenn nicht die zusammenhängenden Theile mit einiger Festigkeit zusammengehalten würden. Und schon lange, sagt er, würde die lose Erde über den Himmel selbst, — was sehr lächerlich ist, — hinausgelangt, und um so weniger würden die lebenden Wesen und sonstigen losgelösten Massen irgendwie unerschüttert geblieben sein. Aber auch die gradlinig fallenden Körper würden nicht in der Senkrechten an den ihnen bestimmten Ort gelangen, da derselbe inzwischen mit so grosser Gechwindigkeit darunter weggezogen wäre. Auch würden wir die Wolken und was sonst in der Luft schwebte, immer nach Westen hin sich bewegen sehen.

Capitel 8.
Widerlegung der angeführten Gründe und ihre Unzulänglichkeit.

Aus diesen und ähnlichen Gründen behauptet man, dass die Erde in der Mitte der Welt ruhe, und dass es sich unzweifelhaft so verhalte. Aber wenn Einer glaubt, dass die Erde sich drehe, so wird er gewiss auch der Meinung sein, dass diese Bewegung eine natürliche und keine gewaltsame sei. Was aber der Natur gemäss ist, das bringt Wirkungen hervor, welche dem entgegengesetzt sind, was durch Gewalt geschieht. Dinge, auf welche Gewalt oder ein äusserer Anstoss ausgeübt wird, müssen zerstört werden,

Anmerkungen [des Übersetzers]

  1. [7] 16) De coelo I. 2. Diese hier zu Grunde liegende Stelle lautet in der deutschen Uebersetzung, welche C. Prantl, Leipzig 1857, herausgegeben hat, folgendermassen: „Jede Bewegung, welche örtlich ist, ist entweder gradlinig, oder kreislinig, oder aus diesen gemischt, einfach nämlich sind nur jene beiden; die Ursache hiervon aber ist, dass auch nur diese beiden Grössen einfach sind, nämlich die grade Linie und die Kreislinie. Kreislinig nun ist jene Bewegung, welche um den Mittelpunkt geht, grade aber jene, welche nach Oben und nach Unten; ich nenne aber nach Oben die Bewegung von dem Mittelpunkte hinweg, nach Unten hingegen die zu dem Mittelpunkte hin. (Phys. ausc, II. 1 und V. 2.) Demnach muss nothwendig von aller Raumbewegung die eine vom Mittelpunkte weg, die andere zum Mittelpunkte hin, die andere endlich um den Mittelpunkt herum stattfinden. — — — Wenn die Bewegung eines Körpers nach Oben ist, so muss er Feuer oder Luft sein, wenn sie aber nach Unten ist, so muss er Wasser oder Erde sein. — — — Die ursprünglichere Bewegung kommt aber einem von Natur aus ursprünglicheren Körper zu, die kreislinige ist aber ursprünglicher, als die gradlinige, die gradlinige kommt nun den einfachen Körpern zu, folglich muss nothwendig die kreislinige Bewegung einem ursprünglicheren Körper, als jene einfachen Körper sind, zukommen.“ Copernicus setzt im Texte für diese „ursprünglicheren“ Körper, Himmelskörper.
  2. [7] 15) Almagest. I. 7.
Empfohlene Zitierweise:
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Nürnberg und Thorn 1879, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/47&oldid=- (Version vom 1.8.2018)