Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Erster Band.pdf/250

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

und eine Kapelle, dicht an den Fels gelehnt, erbaut habe. Der ganze Vorberg, durch den die Straße von Schweina herauf nach Altenstein führt, hieß früher „der Kirchberg,“ und es war diese Straße einer der Hauptzüge aus Thüringen nach Franken. Bonifacius verlieh dem am Fuße seines Felsen sich anbauenden Ort Schweina am gleichnamigen Flüßchen (933 bereits urkundlich Sueinaha) den heiligen Antonius zum Schutzpatron, entweder, weil dieser auch der Patron der Schweine ist, oder weil der Ortsname auf diesen Heiligen leitete. Seine um das Jahr 724 erbaute Kapelle übereignete der Apostel Thüringens dem Stifte Fulda, und dieses zog sie in den Bereich einer auf diesem Boden erbauten Neuburg. Diese Neuburg ist häufig mit der von dem eisernen Landgrafen über Freiburg an der Unstrut erbauten verwechselt worden, und ein in der Steinbacher Flurmarkung gelegener „Landgrafenacker“ hat dieser Verwechselung scheinbar festen Halt gegeben, obschon frei steht anzunehmen, der Landgraf könne möglicherweise das dort so heilsam angewandte Heilmittel gegen Trotz und Auflehnung auch hier in gleicher Weise und mit gutem Erfolge versucht haben, wenn er in dieser Gegend Vasallen gehabt hätte.

Der heutige Flecken Schweina begeht noch alljährlich in der Christnacht ein dem heidnisch-mythischen Cult entstammendes Wintersonnenstillstandfest, jetzt freilich völlig verchristlicht. Auf einem nahen Berge, dem Töngels-(Antonius-)berge entzündet die männliche Jugend, nachdem sie mit brennenden Fackeln hinaufgezogen, ein hochloderndes Feuer, umgeht es, und singt Christnachtlieder – worauf in den Ort wieder herabgeschritten und dort nochmals zur Musik gesungen wird. Dann läuten alle Glocken, und

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 242. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/250&oldid=- (Version vom 1.8.2018)