Seite:Luebische Geschichten und Sagen.djvu/13

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
5. Der Pöppendorfer Ring.

Im Jahre 1138, als Pribislav Fürst des Wagerlandes war, und einen Raubzug in Holstein machte, kam der Fürst der Rügianer, Ratze, mit einer großen Schaar nach Lübeck, und berannte es so heftig, daß es in seine Hände fiel. Mit Mühe retteten sich die Priester samt den großen Kirchenschätzen an heiligem Gold- und Silbergeräth. Von den Feinden verfolgt, bargen sie die kostbaren Gefäße in den großen und festen Ring bei Pöppendorf, wo vordem Seeräuber ihr Wesen getrieben und Beute getheilt. Dort verschwand Alles unter die Erde, nachdem die Priester diejenigen verwünscht, die sich des Fundes bemächtigen würden. Viele Jahrhunderte nachher kam ein seltsamer Mann mit einer Wünschelruthe, ließ sie schlagen, und verhieß dem Besitzer, den ganzen Schatz für ihn zu heben, wenn derselbe eine Schrift, die er mitgebracht, mit seinem Blute unterzeichnen wollte. Schon war der Bauer bereit; er that aber die Schuhe ab und machte, da er nicht schreiben konnte, ein Kreuz; worauf die Schrift in die Luft verflog, und der Fremde zornig und mit Drohen davon ging. In der nächsten Nacht fingen nun die Leute, ohne den Fremden, an der Stelle, wo die Ruthe geschlagen, in Gottes Namen an zu graben.

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)