Seite:Mizler Musikalische Bibliothek Bd4 1754.pdf/111

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Bd4 1754

erfordern, solche aufzuführen, welches im Winter lange genug ist, im Sommer aber könnte man 8 biß 10 Minuten zugeben, und also eine Kirchencantate ohngefehr 400 Takte in sich halten. Es ist dabey die Meinung nicht, daß ein Componist sich mehr an die Zeit, als die Musik, einen Satz gehörig und in schöner Ordnung vorzubringen, binden solle. Es kommt auf etliche Minuten nicht an. Wenn also eine Kirchenmusik nicht zu lange dauren soll, so müssen auch die Texte so eingerichtet seyn, daß der Componist nicht so viel zu componiren hat. Das anständige Maaß aber einer Kirchencantate scheinet dieses zu seyn. a) Ein Choral von einem biß zwey Strophen, oder an desselben Stelle ein biblischer Spruch, der nicht allzu lang ist. b) Ein Recitativ von zwölf biß zwanzig Zeilen. c) Eine Arie, Arioso, manchmal ein fugirender Choral. d) Ein Recitativ. e) Eine Arie f) ein Choral oder Fuge zum Beschluß.

2. Was die Poesie überhaupt anlangt, so finden große Meister, die allzu feurige und allzu nachdrückliche Poesie nicht geschickt zu einem heiligen Ort, weil, wenn heftige Leidenschaften auszudrücken sind, der Componist, so er demselbigen eine Gnüge thun will, sich leicht lächerlich machen kann. Man hat erfahren, daß eine unvergleichliche Passionsmusik in der Kammer eine gute in der Kirche aber eine widrige Würkung gehabt. Von einem geistlichen Poeten für die Musik wird verlangt, daß er nicht nur der biblischen Schreibart mächtig

Empfohlene Zitierweise:
Lorenz Christoph Mizler (1711–1778): Mizler Musikalische Bibliothek Bd4 1754. Mizlerischer Bücher-Verlag, Leipzig 1754, Seite 109. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mizler_Musikalische_Bibliothek_Bd4_1754.pdf/111&oldid=- (Version vom 6.12.2023)