Seite:Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898.pdf/12

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898

höchst zuverlässig, zumal bei der Besteigung des Aetna am 18. Oktober 1838. Als die beiden Freunde glücklich aus dem Stein- und Aschenregen zurückgekehrt waren, gelobten sie, sich stets am Jahrestage ihrer Aetnabesteigung zu schreiben. Es geschah dies auch bis zum Tode Mithoffs, worauf Gladbach die treue Anhänglichkeit auf dessen Schwester übertrug und bis wenige Jahre vor seinem Tode die Korrespondenz mit dieser fortsetzte.

Nach nochmaligem kurzem Aufenthalte in Rom kehrten sie über Verona, Bremen und München in die Heimat zurück, wo Gladbach sofort die Kreisbaumeisterstelle von Oberingelheim mit Wohnsitz in Mainz übertragen erhielt und am 2. Mai 1840 seine Hochzeit mit Henriette Aull feierte.

Eine Kreisbaumeisterstelle der damaligen Zeit brachte höchst selten eine künstlerische Aufgabe mit sich; sie bestand fast ausschliesslich in der Erhaltung der vorhandenen Gebäude und erforderte eine Unmasse trockener Schreibereien. Da ihn dies alles höchst wenig befriedigte, wandte er seine ganze freie Zeit wieder dem Studium der mittelalterlichen Architektur zu, um Mollers Werk fortzusetzen. Eine Reihe von Aufnahmen waren von ihm schon früher gemacht worden, andere Bauten nahm er neu hinzu, und bald konnten die ersten Blätter dem Kupferstecher zur Reproduktion geliefert werden. Allein diese Stiche genügten ihm ganz und gar nicht. Schon im Moller’schen Werke waren sie höchst ungleich ausgefallen, da jeder Stecher nach seiner eigenen Auffassung arbeitete und von der Architektur gewöhnlich sehr wenig verstand. So kommt es zum Beispiel vor, dass im gleichen Werke eine sehr malerische aber architektonisch ungenügende Ansicht des Limburger Domes neben einem Gesamtbild von Marburg steht, das höchst unerfreulich in trockenen, hölzernen Kontouren gegeben ist. Auch Gladbach erfuhr jetzt das Gleiche und entschloss sich rasch, die Übertragung auf die Platten selber zu besorgen, und man ist höchst freudig überrascht, wenn man beim Durchblättern des Werkes nach den anfänglich nüchternen Seiten auf das erste von ihm selbst radirte Blatt, den Hof von Münzenberg, trifft. Da paart sich das Verständnis des Architekten mit der Kenntnis des Archäologen und einer mustergültigen einfachen und doch liebevollen Wiedergabe, so dass er in diesen Publikationen fast unerreicht auch heute noch dasteht. Die geometrischen Ansichten sind meist nur mit den einfachsten Mitteln gegeben und auf die schlichteste Weise geätzt, so dass man sie fast für Stiche halten könnte; auf malerische Wirkung ist vollständig verzichtet zu gunsten des rein archetektonischen Eindruckes. Bei den perspektivischen Ansichten ist mehr auf Wirkung gesehen, aber auch hier ganz in Merian’scher Weise die Hauptsache strenge herausgehoben, alles klar und in ruhigen Schraffuren gegeben.

Während sich Gladbach voll Schaffensfreude ganz dieser Arbeit widmete, brachen

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Ludwig Lehmann: Professor Ernst Gladbach. In: Neujahrsblatt der Kunstgesellschaft in Zürich für 1898. Zürich 1898, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Neujahrsblatt_der_Kunstgesellschaft_in_Z%C3%BCrich_f%C3%BCr_1898.pdf/12&oldid=- (Version vom 1.8.2018)