Seite:OASpaichingen0307.jpg

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Die Häuser des Dorfes sind durchaus weiß getüncht und mit grünen Läden versehen, nicht selten an den Giebelseiten mit Ziegelplatten bekleidet; die Straßen gut im Stand. Einige schöne Linden und Pappeln vermehren noch die Freundlichkeit des Ortes.

Die malerisch am Anhauserbach in dem noch ganz ummauerten Friedhof gelegene Kirche „Zur Himmelfahrt Mariä“ ist in der Anlage noch gothisch, ihr Chor halbachteckig und mit Strebepfeilern besetzt; der an seine Nordseite stoßende hübsche Thurm, noch ganz im gothischen Stil erhalten, hat unten herauf Schießscharten, oben vier spätgothisch gefüllte Schallfenster und endigt in zwei auch von gothischen Fenstern durchbrochene Staffelgiebel mit Satteldach. Das Innere der geräumigen, im Jahre 1758 erneuerten Kirche zeigt prächtigen Rococo, mit Stuckaturen und Fresken an Wänden und Decken. Oben an der flachen Decke des Chores sieht man Mariä Himmelfahrt gemalt mit der Unterschrift: F. F. Dent pinx. 1758, und an der Schiffdecke neben Christi Geburt ein Weihbild mit den Abbildungen von Egesheim und der Ruine Granegg, und der Unterschrift: Fra: Ferdinand Dent invenit et pinxit. 1758. Außerdem sind die Wände des Chores mit künstlicher Architektur bemalt, die sich in eine Säulenhalle verliert, in der Mariä Tod dargestellt ist. Der Hauptaltar zeigt neuromanischen Geschmack, die Seitenaltäre ausschweifendsten, aber graziösen Rococo, die mit Engelchen belebte Kanzel einen ähnlichen reichen Stil. Die beiden hintersten Chorfenster werden von schönen, in neuester Zeit von Glasmaler Wilhelm gefertigten farbigen Mustern erfüllt, so daß der gesamte Chor eine bedeutende Wirkung macht. Von den drei Glocken auf dem Thurm hat die größte (umfangreiche) die Umschrift: Leonhard Rosenlecher gos mich in Constantz. Anno 1737. Auf ihr findet man Salbeiblätter abgedrückt.

Die zweitgrößte Glocke hat in gothischen Minuskeln die Namen der vier Evangelisten und: O rex glorie criste veni cum pace. hilf got uns.

Auf der dritten noch gothisirend verzierten Glocke steht, auch in gothischen Minuskeln:

zu lindaw unverdrosen
zu gottes lob und ehr
hatt mich gegossen leonhart ernst. 1598.

An der Außenseite des Chores sind einige spätgothische Schlußsteine eingemauert, die ohne Zweifel vom früheren Chorgewölbe herstammen.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Spaichingen. H. Lindemann, Stuttgart 1876, Seite 307. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OASpaichingen0307.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)