Seite:OberamtTuttlingen0276.jpg

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vakanten Obervogtsstelle. Auch wurde er als Keller nach Pfullingen ernannt (s. u.), jedoch alles dieses durch die Nördlinger Schlacht und die allgemeine Flucht aus dem Lande vereitelt.

Vom J. 1634 sind wenig Nachrichten vorhanden. 30. Aug. treibt die Überlinger Besatzung den Tuttlingern ihr Vieh von der Weide weg, tödtet den Hirten. Der Rath erläßt eine Bekanntmachung: Weil wegen geschehener Einquartierung der Soldateska, darauf erfolgten Mißwachses und Abbrennung der Häuser viel Bürger aus Hunger und anderen Nöthen sich in die Fremde begeben, haben wir eine Salva guardia verlangt und wollen uns mit Getreide nach Nothdurft versehen, daher mögen die Flüchtlinge zurückkehren. Zum Kriegselend kam noch ein großer Brand. Die Österreicher machten mehrere Angriffe auf Tuttlingen, so am 15. Sept., wobei mehrere Bürger erschossen wurden. Als sie Sonntags 7. Nov. während des Gottesdienstes die Stadt wieder anfielen, entstand ein solches Gedränge der aus der Kirche eilenden Leute, daß die Mutter des verstorbenen Pfarrers Eisenkopf, eine Witwe von 90 Jahren, erdrückt wurde. Auch bei diesem Angriff verloren einige Bürger das Leben und die Feinde bemeisterten sich der Stadt.

1635. Dekan Sattler flieht nach Vaihingen; da sein Haus 1/2 Jahr leer steht, leidet die Registratur sehr. Vikar M. Angelin stirbt an der Pest, M. Silvester Eckher darf nicht kommen. Daher nimmt sich M. Stefan Grötzinger, Pf. in Öffingen, der auf der Flucht hier ist, des Amts an, wird den 4. Dez. 1635 als Pfarrer angenommen und 1642 Dekan (stirbt 76). Er mußte wegen der beständigen Durchzüge, Plünderungen und Quartiere ein Jahr lang sich in Schaffhausen aufhalten, von wo aus er mehrmals nach Tuttlingen kam. Die Kirchenbücher werden nach Engen geflüchtet. 30. Juni 1635 übergab ein kaiserliches Dekret dem Hofkriegsrathspräsidenten Gr. Heinrich Schlick die Städte und Ämter Balingen, Ebingen, Rosenfeld und Tuttlingen als Eigenthum, und am 12. (22.) Nov. ließ er dieselben durch den Gr. von Wolkenstein und den abtrünnigen Professor Besold in Besitz nehmen. Er ließ die Beamten in ihren Stellen, ernannte Jo. Christof Jäger zum Sekretär, verschaffte der Stadt einen Salvaguardia-Brief und am 30. Okt. vom Kaiser einen Befehl, daß Tuttlingen quartierfrei sein solle. Um die Mitte des Jahres kam ein großes Sterben. Am 5. Okt. wurden 14 Menschen zumal begraben und im ganzen Jahre starben 546. Das Getreide wurde großentheils durch Mäusefraß

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 276. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0276.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)