Seite:OberamtTuttlingen0287.jpg

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Kirchthurm renovirt. 1608 wurden 2 große Glocken gegossen von Jo. Heinrich Lamprecht von Schaffhausen, 2 andere waren älter, die eine hatte die Inschrift: S. Cirellus episcopus in Alexandria positus fugat tonitrua humano generi nociva. 1655 stiftete Jo. Dietrich v. Karpfen eine Orgel. 1680 wurde die Kirche erweitert, der Schreiner Barthol. Schneckenburger machte die Kanzel, ein Rorschacher den Taufstein, 1684 der Orgelmacher Fesenbeck eine neue Orgel, sie kostete 630 fl.. Fuhrlohn und andere Unkosten 300 fl. 1699 begann man, weil die Kirche zu eng ward und zanksüchtige Weiber sich in den Stühlen nicht vertragen konnten, den Neubau derselben, indem man auf jede Seite einen Anbau fügte, so daß sie eine Kreuzform erhielt; dieser Neubau wurde 1707 vollendet und kostete 8000 fl. Der Dekan Baldenhofer stiftete den schönen, von Joh. Reichlen gemachten Altar. 1701 wurde ein neues Diakonathaus gebaut, wozu Stadt und Spital Holz lieferten. (St.-Arch.) Beim Brande 1803 wurde die Kirche so ruinirt, daß man auch den mit Einsturz drohenden Thurm vollends abbrechen mußte. Die andere Kirche zu St. Martin auf dem Friedhofe war dem Aussehen nach älter als die Stadtkirche und hatte einen Thurm von schönen Quadern, sie soll die ursprüngliche Pfarrkirche gewesen sein. Ihre Altäre waren St. Martin und der h. Jungfrau geweiht. Die Kaplanei war mit der Pfarrstelle in Rietheim verbunden. Bei dem Überfall 1643 litt die Kirche sehr und kam in Abgang, 1803 war nur noch der etwa 40′ hohe Rest des Thurmes vorhanden. Abgegangene Kirchen waren ferner (schon zu Diak. Schmids Zeiten) eine St. Lorenzkapelle von 1132, unser Frauen Bildkapelle jenseits der Brücke, vielleicht wo später das Siechenhaus, eine Kapelle in der Kirchgasse und eine bei der Ziegelhütte. Auch bestand früher eine geistliche Bruderschaft. Eine große Bretterhütte, welche 1800 fl. kostete (Kurf. Friedrich gab dazu 1500 fl. aus seiner Privatkasse) und 1805 von einem Sturmwind niedergeworfen ward, vertrat nach dem Brande 1803 15 Jahre lang die Stelle einer Kirche. Die Verzögerung des Baues geschah hauptsächlich durch die Aufhebung der besonderen Verwaltung des Kirchengutes, welches die Hauptverpflichtung zum Neubau hatte. Erst 1815 wurde beinahe auf der Stelle der alten Kirche am 3. Okt. der Grundstein einer neuen gelegt, die mit einem Aufwand von 90.000 fl., die der Staat im Namen des Kirchenguts gab, und 20.000 fl., zu denen das Holz aus den Spitalwaldungen und die Spann- und Handfrohnen der Bürgerschaft

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Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0287.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)