Seite:OberamtTuttlingen0438.jpg

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Stetten,


Gemeinde III. Kl., mit 369 Einw., Kath. Pfarrei. 11/2 Stunden nordöstlich von der Oberamtsstadt gelegen.

Das hübsche Dorf liegt, spärlich von Obstbäumen beschattet, sommerlich auf dem linken Ufer der Donau, da wo der bei Nendingen entspringende Kesselbach, und ein vom Heuberg in südöstlicher Richtung herabkommendes Bächlein in die Donau gehen. Die Häuser, gewöhnliche Bauernwohnungen, stehen ziemlich gedrängt an den gut und reinlich gehaltenen Ortsstraßen. Die am westlichen Ende des Orts in den Jahren 1864–65 nach dem Entwurf des Oberbaurath von Schmidt in Wien von Oberamtsbaumeister Schad in Tuttlingen erbaute, dem h. Nikolaus geweihte Kirche ist in sehr ansprechendem gothischem Stil gehalten und ganz aus Tuffsteinen errichtet; der Bauaufwand aus Gemeindekosten betrug etwa 30.000 Gulden. Es scheint jedoch, daß die Kirche verkehrt gestellt wurde, sie ist nämlich zweischiffig und das niedrigere Seitenschiff hätte, wenn der Chor nach Osten zu stehen gekommen wäre, der Bergseite zugesehen, was für den das Donauthal herabwandernden einen günstigeren Anblick gewähren würde. Jetzt steht der Chor gegen Westen, damit der Haupteingang unter dem Thurm dem Dorf zugekehrt ist; hier an der Ostseite erhebt sich in kühner und origineller Konstruktion, auf einem starken Strebepfeiler ruhend, ein steinerner Dachreiter, der einen schönen ebenfalls ganz in Stein ausgeführten spitzen Helm trägt; die Kirche selbst ist ganz mit Strebepfeilern und schön gefüllten Spitzbogenfenstern aufgebaut und endigt in einen hohen vieleckigen Chor.

Durch die Vorhalle eingetreten, empfängt uns das breite, prächtig gewölbte Mittelschiff; Rippen, von Wandsäulen ausgehend, verzweigen sich über das weite Tonnengewölbe, und zur Linken lehnt sich, den Raum noch erweiternd und lauter kreuzgewölbte Kapellen bildend, das niedrigere Seitenschiff an. Der Chor hat ein stolz gesprengtes Rippenkreuzgewölbe; die drei Altäre, auch im gothischen Geschmack, sind sehr tüchtige Arbeiten von Winter in Biberach; das Antependium des Hochaltars, auf dem zwei alte gothische Heiligenbilder, ist mit Malereien geschmückt. Auf der gegen Osten angebrachten Orgelempore befindet sich ein großes Ölbild aus der Rococozeit, nicht ohne Kunstwerth.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 438. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0438.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)