Seite:OberamtTuttlingen0466.jpg

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eingepfarrt, welche erst 1871 nach Errichtung einer selbständigen Pfarrei in Oberbaldingen auf Betrieb der großh. badischen Behörden davon abgetrennt wurden. –

Im Bauernkrieg versammelte sich ein Haufe zu Thuningen (s. Tuttlingen). – 1633 machten die Geisinger hieher einen erfolglosen Ausfall (Gaisser). 10. Febr. 1634 mordeten und plünderten die Kaiserlichen von Villingen aus (ders.). Der Pfarrer Jo. Hartter flüchtete in diesem Jahr nach Sulz, worauf die Gemeinde 1640–49 Filial von Aldingen war. – 21. Apr. 1750 brannten 54 Häuser mit 85 Haushaltungen ab; 20 Personen wurden am Leib, 349 am Mobiliar beschädigt; ein dritthalbjähriges Kind verbrannte. – 1796 lagerten die Kaiserlichen hier. Im Gefolge des Kriegs kam im folgenden Jahr die Rinderpest und raffte von 900 Stücken mehr als 800 weg. – 31. Juli 1805 zerstörte ein nächtliches Hagelwetter den ganzen Fruchtertrag, so daß Staat und Amt den Ort mit 300 Scheffel Dinkel unterstützen mußte.

Eine besondere Merkwürdigkeit hatte Thuningen an dem Rechenkünstler Hans Erchinger. Geboren 29. Juli 1788 als der Sohn eines Feldmessers, lernte der Knabe sehr früh das Rechnen mit Bohnen und galt in und nach der Schulzeit für einen „Rechensimpel“, der sonst zu nichts tauge. 1810 wurde König Friedrich auf ihn aufmerksam gemacht und übergab ihn, durch sein schnelles Rechnen des Wochentags und der Stunde seiner Geburt in Erstaunen gesetzt, dem Professor Bohnenberger in Tübingen, unter derbem Verweis an den Pfarrer von Thuningen, daß er ein solches Genie nicht an’s Licht gezogen. In Tübingen zuerst als Student, dann als Lehrer am Lyzeum vielfach ein Gegenstand des Spotts, doch von dem berühmten Gauß (Göttinger Gelehrte Anzeigen 19. Dez. 1825) mit dem Zeugnis erfreut, seine geometrische Konstruktion des regelmäßigen Siebenzehnecks sei mit so musterhafter mühsamer Sorgfalt durchgeführt, daß sie dem Verfasser zur Ehre gereiche und den Wunsch veranlasse, sein in der That nicht gemeines mathematisches Talent möge alle Aufmunterung finden – zog Erchinger 1822 sich mit einer kleinen Pension in seine Heimat zurück, wo er am 17. März 1829 nach ganz kurzem Kranksein starb. Vgl. Köhlers Tuttlingen S. 147 ff. Schwäb. Chronik 1829 S. 217. In jüngster Zeit hat Thomas Hauser von Thuningen als Volksdichter sich in der Gegend einen Namen erworben.

Empfohlene Zitierweise:
Karl Eduard Paulus: Beschreibung des Oberamts Tuttlingen. H. Lindemann, Stuttgart 1879, Seite 466. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:OberamtTuttlingen0466.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)