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H. Lense: Opfer des Meeres. In: Die Burg, 2. Jahrgang, S. 89–90

Dafür war dann aber wieder das Jahrzehnt 1850–1860 ein für die Seeschiffahrt außerordentlich verlustreiches. 1850 scheiterte das Auswandererschiff „Edmund“ an der Westküste Islands, wobei 200 Menschen dem Ozean zum Opfer fielen. Zwei Jahre später ereilte das englische Truppentransportschiff „Birkenhead“ an der südafrikanischen Küste ein gleiches Schicksal, und nicht weniger als 454 Personen verschlang in jener Unglücksnacht das Meer. Sieben Jahre darauf versank der „Royal Charter“ mit 446 Personen und 750 000 Pfund Sterling in Gold bei Anglesey. 1860 schließlich ging das amerikanische Auswandererschiff „Lima“ an der französischen Nordküste mit Mann und Maus unter.

Nur auf diese ungewöhnlich verlustreichen Unfälle ist es zurückzuführen, daß die Durchschnittsverlustziffer mit 3400 Menschen sich bis 1860 auf derselben Höhe hielt.

In den Jahren 1860–1870 sank sie dann auf die ungewöhnlich niedrige Anzahl von 2211 herab, um jedoch im nächsten Jahrzehnt abermals auf 3459 Opfer jährlich emporzuschnellen. Nicht weniger als sieben furchtbare Schiffsunfälle, die jede über 300 Menschen das Leben kostete, fielen in diese sieben Jahre, darunter der Untergang der „Atlantic“, die an der Küste von Schottand 1873 in einem Herbststurm scheiterte und 560 Menschen mit in die Tiefe nahm.

Von 1880 ab wurde von dem Pariser Bureau „Veritas“ jährlich eine Statistik der Seeunfälle mit genauen Verlustziffern herausgegeben. Die höchste Verlustziffer hatte seitdem das Jahr 1882 mit 3482 auf See Umgekommenen aufzuweisen, die niedrigste 1909 mit 2062. Dagegen dürfte die Zahl für 1912 infolge des „Titanic“-Unterganges abermals eine erhebliche Vermehrung erfahren. Zieht man für die letzten dreißig Jahre den Durchschnitt, so ergibt sich ein Verlust von 2335 Menschenleben pro Jahr.

Wenn man die Verluste der letzten Jahre mit den früheren vergleicht, muß man noch berücksichtigen, daß seit 50 Jahren die Zahl der Seeschiffe sich ungefähr verdoppelt, die Zahl der den Ozean überquerenden Personen sich wohl mindestens verzehnfacht hat.

So erhält man erst eine Vorstellung von der sich stetig steigernden Sicherheit des Seeschiffsverkehrs. Sie beruht einmal auf der technischen Vollkommenheit der Schiffe selbst, dann aber auf den mannigfachen Vorkehrungen, wie Leuchttürme, Feuerschiffe, Seezeichen, Signalwesen usw. (Vergl. darüber die ausführlichen Artikel des vorigen Jahrganges.)

Empfohlene Zitierweise:
H. Lense: Opfer des Meeres. In: Die Burg, 2. Jahrgang, S. 89–90. Verlag der Paulinus Druckerei, Trier 1914, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Opfer_des_Meeres.pdf/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)