Seite:Posse Band 5 0172.jpg

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Siegel des imperium geurkundet[1]. Bei der Massenherstellung von Urkunden der Reichskanzlei unter Friedrich II., zumal die Siegel, wie auch zur Zeit Friedrichs I.[2], von einem und demselben Stempeltypus herzurühren scheinen, wird man auch hier die Verwendung von Hilfsstempeln annehmen müssen, d. h. Duplikaten, die in Notfällen auch Beauftragten anvertraut wurden.

Beauftragter des Kaisers, in seinem Namen Urkunden herzustellen, war, wie Bischof Eberhard von Bamberg zu König Friedrich I. Zeiten, der Herzog Rainald von Spoleto, der Statthalter des sizilischen Königreichs, den Friedrich II. vor Antritt des Kreuzzuges als Legaten des Reiches in der Mark Ancona und in den Landen der Gräfin Mathilde dergestalt ernannte, daß er ihn allenthalben vertrete mit so voller Gewalt, als er selbst habe[3]. Und die letzteren waren die früheren Reichsländer, die Friedrich als Preis für die Unterstützung seiner Erhebung mit Zustimmung der deutschen Fürsten 1213 der römischen Kirche für immer abgetreten hatte. Die Ernennung eines Reichslegaten für diese war daher gleichbedeutend mit stillschweigender Zurücknahme der Abtretung.

Für die Zwecke seiner Stellvertretung hatte Friedrich dem Herzog Rainald auch ein Siegel zurückgelassen und ließ sich nach seiner Rückkehr im Jahre 1231 alle während seiner Abwesenheit von Rainald ausgestellten Privilegien vorlegen: sive suo sive ipsius ducis sigillo signata[4]. Ficker vermutet[5], daß es das Siegel des Königreichs gewesen sei und begründet es mit der Bemerkung, daß keine für dieses vom Kaiser während der Fahrt ausgestellte Urkunden bekannt seien, wohl aber zahlreiche[6] unter goldener Bulle des Kaiserreichs ausgestellte Privilegien. Nun läßt sich aber nachweisen, daß Urkunden des Reiches niemals unter dem Siegel des Königreichs ausgestellt wurden, von Rainald unter dem sizilischen Wachssiegel beglaubigte Urkunden sind nicht bekannt, und auch Friedrich II. siegelt Juli 1229 (BF 1756) von Baroli aus mit dem Wachssiegel. Man wird deshalb auch Philippis Nachweise zustimmen müssen, daß während Friedrichs II. Kreuzzugsfahrt die sizilischen Stempel wohl ebenso einer für das Königreich eingesetzten Verwaltungsbehörde anvertraut worden sind (BF 1725c), wie sich das ja bei der Regentschaft der Jahre 1235–39 noch einmal wiederholte[7].

Bekanntlich hat der Kaiser später aufs bestimmteste behauptet, Rainald habe eigenmächtig und ohne sein Wissen den Zug in die Mark unternommen[8]. Da aber konnte der Papst ihn darauf verweisen, daß sein Legat mit kaiserlicher Verbriefung unter Goldbulle im Gebiete der Kirche erschienen sei. Liegt uns nun diese selbst vor, ausgestellt 1228 21/6 (Bd 1729) zu Brindisi, wenige Tage vor der Einschiffung zum Kreuzzuge, so ist da ein weiterer Zweifel nicht gestattet.

Wie der Kaiser hier selbst die Abtretung von Civita nuova widerruft und der Stadt die eidliche Versicherung gibt, daß er sie nie wieder veräußern werde, so hat dann Rainald während der Abwesenheit seines kaiserlichen Herrn im März 1229 den Städten Osimo und Recanati Privilegien erteilt, die Friedrich II. im Juli 1229 (BF 1757, 1758) nach seiner Rückkehr, unter Goldbulle bestätigte. Die Originale der Urkunden Rainalds sind nicht erhalten, doch läßt die einzige der uns bekannten von ihm ausgestellten Privilegien (Huillard-Bréholles 3, 112) erkennen, daß er sie in eigenem Namen, als Stellvertreter des Kaisers, unter „unserem“ Siegel mit dem Versprechen ausstellte, daß der Kaiser sie später, wie es auch geschehen, unter Goldbulle bestätigen werde[9]. Darauf ist wohl auch die Stelle des päpstlichen Schreibens vom 21. Juni 1239 (BF 7245) zurückzuführen, daß Rainald u. a. mit Urkunden unter Goldbulle die Einwohner des von ihm mit Krieg überzogenen Landes habe gewinnen wollen.

Mit welchem Siegel hat nun Reinald die von ihm als Stellvertreter des Kaisers verliehenen Privilegien besiegelt? Ein persönliches Siegel von ihm ist nicht bekannt. Da er nun weder mit dem sizilischen Stempel noch mit der Goldbulle gesiegelt, und, wie erwähnt, der Kaiser ihm bei Antritt des Kreuzzuges ein Siegel zurückließ, so kann es nur der Stempel des kaiserlichen Wachssiegels gewesen sein.

Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß die Stauferkanzlei unter Friedrich I. dessen Bevollmächtigten,


  1. Vgl. S. 170.
  2. Vgl. S. 142 und 169.
  3. Urk. 1228 Juni, Brindisi (BF 1728): constituimus eum (Rainaldum) legatum … et ei concessimus in eisdem plenarie vices nostras, ut in omnibus earundem regionum locis et partibus officium legationis exerceat et loco ac vice nostri ad honorem nostrum et imperii commode tractet, disponat et statuat universa; cui dedimus plenariam potestatem in omnibus, quecumque in predictis locis nos ipsi personaliter favere debemus.
  4. Riccardus de S. Germano (SS. 29, 363): 1231. mense ianuarii suas imperator litteras mittit ad Stephanum de Anglone terre Laboris justitiarium, ut diligenter inquirat de promissis imperiali curie factis, et si qua post transfretationem sua facta sunt concessionum privilegia per Raynaldum ducem Spoleti, sive suo sive ipsius ducis sigilla signata, aliquibus personis, ea imperiali curie usque ad festum purificationis beate Virginis precipia presentari; alioquin extunc in antea nullam habeant potestatem
  5. Mitteil. d. Inst. f. Österr. Gesch. 4, 354.
  6. Vielmehr sind (außer BF 1756 unter Wachssiegel) alle Urkunden während des Kreuzzuges unter Goldbulle ausgestellt (BF 1744–1752, 1755).
  7. Näheres Winkelmann (Forsch. z. deutsch. Gesch. 12, 526) BF 2085a. Philippi a. O. 63.
  8. Winkelmann, Gesch. K. Friedrichs II, 314. Der Kaiser stellte es ferner so dar, als habe er Rainald wegen der vermeintlichen Eigenmächtigkeit bestraft, während Rich. Sangerm (SS. 29, 364) ausdrücklich sagt, daß er im Mai 1231 bestraft wurde, weil er nicht von seiner Amtsführung Rechenschaft geben konnte.
  9. Huillard-Bréholles, Hist. dipl. Fried. II. 3, 112. 1229 März: que omnia promittimus, quod dominus imperator rata habebit et faciet inde eis privilegium bulla aurea communitum sine expensis eorum. Ad cuius concessionis nostre memoriam et inviolabilem firmitatem presens privilegium per manus Procopii de Matera imperialis aule notarii scribi jussimus et nostri sigill munimine roborari.
Empfohlene Zitierweise:
Otto Posse: Die Siegel der deutschen Kaiser und Könige Band 5. Wilhelm und Bertha v. Baensch Stiftung, Dresden 1913, Seite 171. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Posse_Band_5_0172.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)